Page - 173 - in Re-Reading Hanslick's Aesheticts - Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
Image of the Page - 173 -
Text of the Page - 173 -
3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986)
173
sche Bedeutung der musikalischen Komposition zum Opfer, die nun schwach
auftritt (VMS, S. 48f.), bei der ersten Auflage jedoch zweimal prominent ver-
treten war. Obwohl Hanslick auch hier den autonomen Selbstzweck von schö-
nen Formen verficht, welche nicht „Mittel oder Material zur Darstellung von
Gefühlen und Gedanken“ seien, können diese trotz allem „jene symbolische,
die großen Weltgesetze wiederspiegelnde [sic] Bedeutsamkeit besitzen […],
welche wir in jedem Kunstschönen vorfinden“ (VMS, S. 75). Dieser Halbsatz,
der Hanslicks Leitspruch der ‚tönend bewegten Formen‘ unmittelbar voraus-
ging, ist in der zweiten Auflage (1858) vollständig gestrichen worden, was auf
den letzten Absatz der ästhetischen Abhandlung genauso zutrifft.831 Dieser lau-
tet in seiner ersten Fassung:832
Dieser geistige Gehalt verbindet nun auch im Gemüth des Hörers das Schöne
der Tonkunst mit allen andern großen und schönen Ideen. Ihm wirkt die Musik
nicht blos und absolut durch ihre eigenste Schönheit, sondern zugleich als tö-
nendes Abbild der großen Bewegungen im Weltall. Durch tiefe und geheime
Naturbeziehungen steigert sich die Bedeutung der Töne hoch über sie selbst
hinaus und läßt uns in dem Werke menschlichen Talents immer zugleich das
Unendliche fühlen. Da die Elemente der Musik: Schall, Rhythmus, Ton, Stär-
ke, Schwäche im ganzen Universum sich finden, so findet der Mensch wieder in
der Musik das ganze Universum (VMS, S. 171).
Wenn auch der erste Satz in der zweiten Auflage weiterhin vorhanden ist, wur-
de dieser Rückgriff auf die Symbolik der ‚Tonkunst‘ mit der dritten Aufla-
ge (1865) ersatzlos gestrichen, die jetzt damit schließt, dass geistige Substanz
als bestimmte Tongestalt festgelegt wird, als „freie[ ] Schöpfung des Geistes
aus geistfähigem Material“ (VMS, S. 171). Beide Stellen833 werden durch Zim-
mermann als „überflüssige Concession an eine falsche Aesthetik“ kritisiert,834
was bei dem damals bereits gehegten Vorhaben der künftigen Habilitation
(Kap. 1.3) umso schwerer wiegen musste, als die belehrenden Bemerkungen
von dem zweifellos wichtigsten Exponenten der Herbart’schen Kunsttheorie
geäußert worden waren.835 Zimmermanns VMS-Rezension, die Hanslicks
831 Für die aktuellste Forschung zum zweifach gekürzten Buchende vgl.: Landerer/Zang-
will, „Deleted Ending“ (wie Anm. 67); Tiago Sousa, „Was Hanslick a Closet Schopen-
hauerian?“, in BJA 57/2 (2017), S.Â
211–229. Vgl.: Martin Geck, „Romantische ‚Universal-
poesie‘ versus ‚tönend bewegte Formen‘. Spuren von Transzendenz in der Sinfonik des
19. Jahrhunderts“, in MÄ 78 (2016), S. 44–70, hier S. 49; Landerer/Zangwill, „Musical
Essence“ (wie Anm. 228), S. 492.
832 Wilfing, „Idealismus und Realismus“ (wie Anm. 43), S. 338–342.
833 Eine weitere zentrale Passage, bei der Hanslick eine Formulierung Zimmermanns fast
gänzlich übernahm, wurde bereits erörtert (Kap. 2.1).
834 Zimmermann, Studien und Kritiken (wie Anm. 362), Bd. 2, S. 248.
835 Landerer, „Aesthetica longa“ (wie Anm. 354).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423