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4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte, Vertreter
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staltung, die nur aus der subjektiven Perspektive der ästhetischen Beurteilung
ausreichend ist – auch eine objektive Bedeutung aufweisen und ‚ästhetische
Ideen‘ einschließen. In Kants Kritik werden selbige derart erklärt: „unter einer
ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft
die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedan-
ke, d.i. Begriff, adäquat sein kann.“927 Wie Budd zu Recht sagte, ist die künst-
lerische Darstellung dieser ästhetischen Komponente keine zusätzliche Bedin-
gung für ein formal schönes Objekt, sondern vielmehr eine unverzichtbare Vo-
raussetzung: „Only if an item is the expression of aesthetic ideas is it a work
of (fine) art, and, accordingly, its being a good example of the expression of
aesthetic ideas is a necessary condition of its being valuable as art.“928 Folglich
haben Objekte, wenn sie als ‚schöne Kunst‘ gelten sollen, zwei sich ergänzende
Prämissen: Ihre formale Struktur müsste unsere kognitiven Fakultäten in ein
‚freies Spiel‘ bringen und ästhetische Ideen präsentieren.929 Für die behandel-
te Problematik des ästhetischen Formalismus der Kant’schen Urteilskritik hat
Kivy zutreffend festgehalten: „Contrary to what some people may think, Kant
was not a formalist in his philosophy of art […]. On the contrary, he believed
that works of art, being representational, have a ‚content‘ or ‚meaning‘ and that
this content or meaning is an essential part of their nature.“930
Dieser Entwurf der ‚schönen Künste‘ sowie deren duale Prämisse hatten
bekanntlich gravierende Konsequenzen für die ästhetische Wertigkeit von ‚rei-
ner‘ Musik. Wenn Kant sich auch schließlich entscheidet, ‚reine‘ Musik – die nur
ein „Spiel der Empfindungen“ sei – als ‚schöne Kunst‘ anzusehen, was von ihm
mit der mathematischen Beschaffenheit der einzelnen Tonstufen sowie deren
künstlerischen Verknüpfungen erklärt wurde, ordnet dieser die divergierenden
Kunstgattungen dann doch nach ihrer jeweiligen Wertigkeit.931 Wie man sicher-
lich vermuten konnte, hat die Poesie für ihn die höchste Position, doch ‚reine‘
927 Ebda., S. 202 (§49, A313–314).
928 Budd, Values (wie Anm. 450), S. 34. Vgl.: Yanal, „Kant on Beauty“ (wie Anm. 922);
Dowling, „Moderate Formalism“ (wie Anm.Â
922), S.Â
97f.; Elisabeth Schellekens, „Imma-
nuel Kant (1724–1804)“, in Aesthetics: The Key Thinkers, hrsg. von Alessandro Giovannelli,
London/New York 2012, S. 61–74, hier S. 68f.
929 Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm. 40), S. 67 (§9, A217).
930 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 56f. Für das komplette Argument vgl.:
ders., Ancient Quarrel (wie Anm. 5), S. 35–42. Siehe dazu auch: Nick Zangwill, „Feasible
Aesthetic Formalism“, in Noûs 33/4 (1999), S. 610–629, hier S. 613; Paul Guyer, Kant,
London/ New York 2006, S. 321. Für diesbezügliche Gegenstimmen vgl.: Kirk Pillow,
Sublime Understanding: Aesthetic Reflection in Kant and Hegel, Cambridge, Mass./London
2000, Kap.Â
2; Dabney Townsend, „Art and the Aesthetic: Hume, Kant, and the Essence of
Art“, in Art and Essence, hrsg. von Stephen Davies und Ananta Ch. Sukla, Westport,
Conn./London 2003, S. 75–94, hier S. 87.
931 Kant, Kritik der Urteilskraft (wie Anm. 40), S. 216–218 (§51, A324–325).
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423