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4.3. Hanslick, der Formalist: adäquate Kategorie oder leerer Begriff?
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Label polemics is rather widespread, because it is so easy: First one defines a label
in such a way that it stands for a view that is easy to refute. In the best cases, one
is able to find somebody who actually has this view. […] one now applies the
label to a large number of philosophers, too many to discuss individually, and
then writes them off as a group. In many cases the whole first step is skipped:
one just applies the label to a large group of philosophers without bothering
with definition, text or interpretation.1246
Dass eine derartige Methodik, die Kant, Hanslick, Bell, Schenker etc. auf den
gleichen Nenner bringen möchte und spezifische theoretische Variationen zu-
gunsten abstrakter Kategorien ausblendet, notwendigerweise reduktionistisch
sein muss, soll durch einige Beispiele abschließend demonstriert werden. Die
vorstehend untersuchte Klassifikation von Hanslicks Definition der ‚Form‘
bleibt dabei im Zentrum, da sie regelmäßig ausgeweitet und als prinzipielle
Bestimmung ‚des‘ ästhetischen Formalismus gefasst worden ist, dessen Kriteri-
en Hanslicks VMS-Traktat erfülle. Dabei sollen aber auch immer wieder Kants
Kritik der Urteilskraft (Kap. 4.1) und Bells Art (Kap. 4.2) vergleichend hinzuge-
zogen werden, die als scheinbar identische Versionen ‚des‘ ästhetischen Forma-
lismus verdeutlichen, dass pauschale Kategorien für die Rezeption von spezi-
fischen Ästhetikern tatsächlich inadäquat sind. Zuerst soll eine bereits früher
erläuterte Definition genauer geprüft werden, welche besagt, dass formalisti-
sche Kunsttheorien die inhaltliche Bedeutung des künstlerischen Gegenstandes
absichtlich ausblenden und nur formale Aspekte als relevant erachten. Als Bei-
spiel wird hier erneut Fisher zitiert, der ‚die‘ formale Ästhetik folgendermaßen
zusammenfasste: „Formal relations and properties can be considered important
in an artwork, or, more extremely, they can be considered primary. […] For-
malists typically take a position even more extreme than either of these. They
hold that form is not just the most important consideration, but the only relevant
consideration.“1247 Welche Autoren nun typisch formal seien, wird aber nirgends
genauer erläutert. Zwar kann gewiss gesagt werden, dass Bells Lehre der sig-
nifikanten Formgebung von gegenständlichen Repräsentationen im bildlichen
Kunstwerk absichtlich abstrahiert, jedoch scheint Fishers Begriff im Hinblick
auf Bells These der ‚aesthetic emotion‘ verkürzt. Für Kants Kritik sowie de-
ren elaborierte Kunsttheorie, die die ästhetische Idee zum elementaren Kenn-
zeichen der ‚schönen Künste‘ erhebt, ist der Entwurf Fishers gleichfalls nicht
1246 Dagfinn Føllesdal, „Analytic Philosophy: What is it and Why Should One Engage in it?“,
in The Rise of Analytic Philosophy, übers. und hrsg. von Hans-Johann Glock, Oxford/
Malden 1997, S. 1–16, hier S. 1f.
1247 Fisher, Reflecting on Art (wie Anm. 410), S. 250. Vgl.: Sheppard, Aesthetics (wie Anm. 750),
S. 43; Lippman, Western Aesthetics (wie Anm. 400), S. 292; Kivy, Introduction to Philosophy
(wie Anm. 356), S. 67.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423