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5.3. Enhanced Formalism – Hanslick, Davies, Kivy und die Kontur-Theorie
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talen Abläufen und akustischen Ereignissen eine schwächere Analogie vor-
herrscht, als bei dem emotionalen Mienenspiel von Mensch und Hund, da Ers-
tere medial distinkt sind. Das ist ein Problem der ‚cross-modal experi enced
resemblance‘,1637 das Kivy später selbst zweifelnd betrachtet: „Can music sound
like a gesture or bodily posture? Can sense modalities be crossed that way?
There is certainly plenty of room for doubt about it.“1638 Wenn Davies trans-
mediale Empfindung als psychische ‚Faktizität‘ bezeichnet,1639 ist dies aber
keine adäquate Erklärung, da der Eckpfeiler des ‚enhanced formalism‘ einzig
gesetzt, nicht belegt wird.1640 Die Evolutions-Hypothese gerät damit zum zent-
ralen Baustein der Kontur-Theorie, der zwingend akzeptiert werden müsste,
um die Priorität der Analogie von Gefühl und Musik angemessen aufzuzeigen.
Für Hanslick, welcher bereits das Schöne radikal objektiv begreift, wären sol-
che Animations-Tendenzen so subjektiv gewesen, dass sie von ihm als unquali-
fizierte psychologische Hilfshypothese erachtet worden wären.
Wenn Kivy die fundierten Vorbehalte gegenüber der Evolutions-Hypothese
auch deutlich erkannte, hat er das ‚argument from disagreement‘ aus Hanslicks
VMS-Traktat trotzdem abgelehnt, das die gesamte Theorie des ‚enhanced for-
malism‘ endgültig widerlegt hätte. In Kivys Worten lautet dieses: „There is
no general agreement about whether or not any particular X is φ; therefore, φ
cannot be an objective property of Xs.“1641 Wie Kivy korrekt bemerkt, ist das
angeführte Argument ein ‚non sequitur‘, weil sich aus allgemeiner Uneinigkeit
über eine spezifische Eigenschaft nicht folgern lässt, dass keine jener erörterten
Qualitäten auf das Objekt ‚Musik‘ passe. Und Kivys Kritik wäre auch vollauf
legitim, wenn Hanslick ein derartiges Argument tatsächlich formuliert hätte,
was aber nicht der Fall ist. Denn musikalische Expressivität ist für Hanslick ein
‚objective property of Xs‘, welche jedoch nicht entschieden determiniert und
aus diesem Grund für die szientifische Musikästhetik unbedeutend ist, was die
theoretische Stoßrichtung von Hanslicks Hypothese gänzlich verändert. Wie
zuvor schon gezeigt werden konnte, votiert dieser nicht für die durchgängige
1637 Ebda., S.Â
102. Vgl.: Nussbaum, Representation (wie Anm.Â
1406), S.Â
229f.; Levinson, „Hear-
ability-as-expression“ (wie Anm.Â
1284), S.Â
105; Zangwill, Aesthetic Reality (wie Anm.Â
444),
S. 56f.
1638 Kivy, Introduction to Philosophy (wie Anm. 356), S. 46.
1639 Davies, „Philosophical Perspectives“ (wie Anm. 1290), S. 184. Vgl.: Sparshott, „Music
and Feeling“ (wie Anm. 1417), S. 28; Ridley, Music, Value, Passions (wie Anm. 1077),
S. 111f.
1640 V. A. Howard, „Kivy’s Theory of Musical Expression“, in JAE 27/1 (1993), S. 10–16, hier
S. 13; Rinderle, Expressivität (wie Anm. 674), S. 114f.; Appelqvist, „Music Wine“ (wie
Anm. 392), S. 21.
1641 Kivy, Corded Shell (wie Anm. 673), S. 46.
Re-Reading Hanslick's Aesheticts
Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Title
- Re-Reading Hanslick's Aesheticts
- Subtitle
- Die Rezeption Eduard Hanslicks im englischen Sprachraum und ihre diskursiven Grundlagen
- Author
- Alexander Wilfing
- Publisher
- Hollitzer Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-99012-526-7
- Size
- 16.0 x 24.0 cm
- Pages
- 434
- Keywords
- Eduard Hanslick, Formalismus, Musikästhetik, Musik und Gefühl, Emotionstheorie, analytische Philosophie, New Musicology, Immanuel Kant, Peter Kivy, Stephen Davies, Edmund Gurney, Adam Smith
- Category
- Biographien
Table of contents
- Danksagung 7
- Vorwort und Inhalte 9
- 1. Tendenzen und historische Entwicklung der Hanslick-Forschung 17
- 1.1. Die historische Forschung zu Hanslicks VMS-Traktat 20
- 1.2. Hanslick und die ‚idealistische‘ Philosophie 25
- 1.3. Hanslick und die ‚österreichische‘ Philosophie 35
- 1.4. Die soziokulturelle Kontextualisierung von Hanslicks VMS-Traktat 48
- 1.5. Die bisherige Forschung zur historischen Hanslick-Rezeption 62
- 1.6. Anhang – Hanslicks „tönend bewegte Form[en]“ 75
- 2. These und Exkurs: Hanslick Methodik – Ästhetik versus Kritik 83
- 3. Die historische Entwicklung der anglophonen Hanslick-Rezeption 117
- 3.1. Die erste englische Ãœbersetzung von Hanslicks VMS-Traktat 120
- 3.2. Erste Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Differente Hanslick- Diskurse 125
- 3.3. Die anglophone Musikästhetik im 18. Jahrhundert: Beattie und Smith 136
- 3.4. Zweite Konsequenz aus Poles Ãœbersetzung: Gurneys Power of Sound 146
- 3.5. The Beautiful in Music (1891) und On the Musically Beautiful (1986) 159
- 3.6. Anhang – Hanslick’sche Rezensionen in Dwight’s Journal of Music 176
- 4. Was ist ästhetischer Formalismus? – Definition, Geschichte,Vertreter 179
- 5. Hanslick und die analytische Philosophie: eine produktive Rezeption 253
- Literaturverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis 329
- Quellentexte (Deutsch) 329
- Quellentexte (Englisch) 332
- Forschungsliteratur 333
- Namensindex 423