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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 38 tur.42 Und das Sozialprestige der Bildungsschichten in deutschen Staaten war den österreichischen Bildungsträgern, vor allem den Professoren und Eliten der Be- amten, völlig unbekannt. Es kann nicht weiter überraschen, dass diese „aufgeklär- ten“ Staatsdiener voll Sehnsucht über die schwarz-gelben Grenzpfähle blickten. So manche, die sich als Liberale verstanden, begannen sich in ihrer kulturellen Identität „deutsch“ zu orientieren, ein Faktum, das die Beziehung der späteren österreichischen Liberalen sowohl zu den nichtdeutschsprachigen Nationalitäten der österreichisch-ungarischen Monarchie als auch zur österreichischen (multina- tionalen) Staatlichkeit schwer belasten sollte. Einen manifesten Grund für die Beamten, höchst unzufrieden zu sein, bildete ihre miserable materielle Lage, was die soziale Stimmung anspannte: Die höhere wie die niedere Bürokratie hatte ausnahmslos seit den 1840er-Jahren an Besol- dung empfindlich eingebüßt. Außerdem herrschte eine hohe Jugendarbeitslosig- keit, vor allem unter den juristisch ausgebildeten Akademikern, sodass geradezu von einer Juristenschwemme gesprochen wurde. So waren die Amtsstuben bevöl- kert von schlecht bezahlten Beamten und jungen unbezahlten und chancenlosen Praktikanten mit hoher Ausbildung, von den arbeitslosen jungen Absolventen der Universitäten, die eine Versorgung im Staatsdienst anstrebten und keine beka- men, ganz zu schweigen. In den letzten Jahrzehnten war – wie Zeitgenossen es nannten – ein „Studenten- und Beamtenproletariat“43 herangewachsen, das für den Bestand des österreichischen Staates gefährlich werden konnte. Die Armut der österreichischen Beamten war geradezu ein „Paradepferd“ des Pöbelwitzes ge- worden. Besondere Hoffnungen auf eine Änderung ihrer tatsächlich miserablen Verhältnisse hegten verständlicherweise die Subalternbeamten, die sich teilweise auch massiv über ihre Vorgesetzten, die Bureaucratie-Tyrannen beschwerten.44 So manche Elitebeamten waren offenbar nicht beliebt bei ihren Untergebenen. Es verwundert nicht, Beamte und ihre Familien teils aus politischen, teils aus sozialen Gründen als Anhänger der Revolution zu treffen – freilich nur zu Be- ginn. Einen Eindruck über die in diesen Kreisen ausgebrochene Euphorie über den Ausbruch der Revolution im März 1848 vermitteln die Schilderungen der 42 LECHNER, Gelehrte Kritik und Restauration 110. Zum Problem der kulturellen Identität des österreichischen liberalen gebildeten Publikums auch HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 211– 221. 43 DIE UNIVERSITÄTSFRAGE IN ÖSTERREICH beleuchtet vom Standpunkt der Lehr- und Lernfreiheit, anonym (Wien 1853), S. 9. Der Autor der anonymen Schrift kam wahrscheinlich aus dem Umkreis des Unterrichtsministers Leo Graf Thun-Hohenstein. 44 HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 222.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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