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II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie?
unveröffentlichten Briefe von Frau Wilhelmina von Salzgeber (1801–1860) an
ihre Tochter Wilhelmina, genannt Minna. Wilhelmina (die Ältere) war Gattin
des Sektionschefs Peter von (ab 1853 Freiherr von) Salzgeber (1789–1858), der in
den Märztagen „rechte Hand“ des ersten Ministerpräsidenten des Jahres 1848,
des Freiherrn von Pillersdorf, vorher hoher Beamter im Finanzministerium, war.
Tochter Minna (1821–1896) war ebenfalls Gattin eines prominenten Beamten und
Gelehrten, des geologischen Forschers und Forschungsreisenden in vielen Teilen
der Welt, des Salinendirektors an verschiedenen Bergbauorten der Monarchie, in
den 1850er-Jahren in Wieliczka in Galizien, Josef (ab 1853 Ritter von) Russegger.45
Ein Brief Wilhelminas von Salzgeber vom 16. März 1848 an ihre Tochter, also kurz
nach Ausbruch der Revolution, brachte deutlich die Begeisterung für die damals
modernen Ideen der Verfassung und zugleich auch die Frustration, die die Beam-
tengeneration von 1848 der absolutistischen staatlichen Obrigkeit wegen quälte,
zum Ausdruck:
„[…] Die Freyheit ist errungen! Gott ist groß! Der Jubel ist unbeschreiblich! Es ist
mein höchster Stolz und gewiß auch der deine dass meines guten Mannes Name als
Unterschrift auf dem edelsten Document steht, welches Österreich aufzuweisen hat,
Du kannst nicht glauben, welche Glückwünsche darüber uns gestern schon gebracht
wurden […] Diese Nachrichten sind wohl Deinem freysinnigen Mann das schönste
Angebinde … Leb wohl geliebtes Kind mein Gemüth ist zu sehr erregt ich kann
nicht weiter.“46
Bezeichnenderweise waren bei der Repräsentanz der niederösterreichischen Land-
stände in der Hofburg am 13. März 1848 nicht wenige prominente Beamte vertre-
ten: beispielsweise der kleinadelige Dichter und Leiter des Lottogefälles Eduard
von Bauernfeld und der adelige Beamte Ritter von Schmerling.47 Der aus einer
45 PRIVATARCHIV (weiterhin PA) BLECHNER. Für die Überlassung des privaten Nachlasses
der Familien Blechner, Blühdorn, Salzgeber und Russegger bin ich Frau Dr. Beatrix Blechner,
geb. Blühdorn, und Herrn Botschafter Dr. Heinrich Blechner, der die Briefe transkribierte
und eine Familiengeschichte (im Ganzen 3 Manuskript-Bände) entwarf, zu großem Dank
verpflichtet. Die Daten habe ich den Manuskripten Heinrich Blechners entnommen. Zur
Geschichte der Wiener Familie Blühdorn, Manus, passim, im Besonderen S. 1–16, PA
BLECHNER.
46 Zur Geschichte der Wiener Familie Blühdorn. Ausgewählte frühe Briefe, Manus, S. 47, PA
BLECHNER.
47 Zum Folgenden siehe HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 221; WALTRAUD HEINDL, Zum
cisleithanischen Beamtentum: Staatsdiener und Fürstendiener. In: Die Habsburgermonarchie
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277