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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 40 Beamtendynastie stammende Beamte des Wiener Landrechts, Ernst Violand, ge- sellte sich bekanntlich gar zu den linken Demokraten und Republikanern.48 Der (wirtschafts)liberale Carl von Hock, der in den 1850er-Jahren Sektionschef im Fi- nanzministerium werden sollte, äußerte sich ebenso begeistert für die Revolution wie sein späterer konservativer Kollege im Ministerium für Kultus und Unter- richt, Sektionschef Eduard Tomaschek. Im österreichischen Reichstag von 1848 waren unter 383 Mitgliedern 50 Beamte zu finden, von denen die meistens beim gemäßigten Zentrum engagiert waren. Der spätere Minister Joseph Lasser Ritter von Zollheim, 1848 Beamter in der Allgemeinen Hofkammer, und der spätere Sektionschef im Handelsministerium Carl Freiherr von Czoernig waren Abge- ordnete in der Frankfurter Nationalversammlung. Im „Völkerfrühling“ von 1848 sollte auch die nationale Gesinnung der Beamten zutage treten. Welche Richtung aber hingen sie mehrheitlich an? Soviel wir aus den zeitgenössischen Aussagen herauslesen können, kann von einer nationalen Orientierung, die der gesamten Beamtenschaft um 1848 und danach zugeschrieben werden könnte, keine Rede sein. Es mag wohl stimmen, wenn ein hoher Beamter der Staatskanzlei „streng patriotisch-dynastischer Prägung … mit einem Liberalismus josephinischer Fär- bung“ behauptete, dass um diese Zeit viele Beamte der Zentralverwaltung „sehr deutsch gedacht“ hätten.49 Nach wie vor zog das Ideal der deutschen Bildung, vor allem das viel bewunderte Modell der Humboldt’schen Universität mit dem Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft. Angesichts dieser Modernität schämte man sich geradezu der österreichischen Universität.50 In den Wirren des Jahres 1848, als es am Ende um den Bestand, die Einheit und die Existenz des schwarz-gelben Staates ging, dürfte doch die „österreichi- sche“ Gesinnung in der österreichischen Beamtenschaft mehrheitlich die Ober- hand gewonnen haben. Grillparzers patriotische Gedichte, oft als Inbegriff der schwarz-gelben Gesinnung zitiert, sind bekannt. Doch auch Bekenntnisse anderer 1848–1918, IX: Soziale Strukturen, 1. Teilband: Von der feudal-agrarischen zur bürgerlichen-in- dustriellen Gesellschaft, Teil 2: Von der Stände- zur Klassengesellschaft, hg. von Helmut Rump- ler und Peter Urbanitsch, Redaktion Ulrike Harmat (Wien 2010), S. 1162 f. 48 Ernst VIOLAND, Die soziale Geschichte der Revolution in Österreich, hg. von Wolfgang Häusler (Wien 1984), S. 432 ff. 49 HEINRICH von SRBIK, Aus den Erinnerungen eines alten österreichischen Beamten. In: Archiv für österreichische Geschichte 117 (1949), S. 76 und 84. 50 Siehe z. B. AUS DEM HÖRSAAL. Studienbilder aus Österreich, anonym (Leipzig 1848), auch OTTO von WURMB (Hörer des Rechts), Zur Reform der juridisch-politischen Studien in Ös- terreich. Aus dem Nachlasse des Verfassers seinen zahlreichen Commilitonen als Erinnerungszei- chen, hg. von einem Freunde (Wien 1870).
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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