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3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära
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Die absolute Herrschaft, die nach der niedergeschlagenen Revolution wieder-
hergestellt wurde, äußerte sich im Sinn von Max Weber in absoluter Verwaltung95
und absoluter Bürokratie, und nicht umsonst gilt der Neoabsolutismus nach den
groß angelegten Plänen von Joseph II. als „zweite Blütezeit der Bürokratie“.96
Dieser obrigkeitliche Verwaltungsstaat drückte nicht nur Regierungsstil, Struktur
und Geist des neoabsolutistischen Jahrzehnts seinen Stempel auf, sondern prägte
selbstverständlich auch entscheidend die Bürokratie und wirkte – laut dem libe-
ralen und kritischen Josef Redlich, der immerhin noch am Ende der Monarchie
kaiserlicher Minister war –auf das gesamte Verständnis von Staat und Obrigkeit
noch bis über die Zeit des monarchischen Systems hinaus.97 Stil und Gehabe vor
allem der hohen Bürokratie sei, so Redlich, aus der spezifischen Lage dieser Epo-
che abzuleiten.
Die Beamten, auch die ehemals revolutionären, militärisch straff in diesem Sys-
tem des bürokratischen Absolutismus organisiert und kontrolliert, schienen sich
anzupassen. Viele sollten sich, wie es Bachs „Hirtenbrief“ vorgeschrieben hatte,
als willfährige Ausführungsorgane des Systems erweisen. Das System gab ihnen
Macht und sie übten Macht aus.
Was blieb ihnen auch anderes übrig? Vor die Wahl gestellt zwischen bürokra-
tischer Subordination und bürgerlicher Freiheit, den beiden einander widerspre-
chenden Tugenden, die in den Seelen der Beamtengeneration von 1848 wohnten,
erklärten sich viele für das bürokratische Prinzip – und für die Sicherung ihrer
Existenz. Es gab genügend warnende Beispiele, wie es ungehorsamen Beamten
erging.
95 MAX WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, fünfte revi-
dierte Auflage, besorgt von Johannes Winckelmann (Tübingen 1990), S. 122–130.
96 So KARL RENNER, Zur Geschichte der österreichischen Verwaltung. Anhang: Das Land, der
Landtag, die Landesregierung. Der Aufbau der niederösterreichischen Verwaltung (Wiener Neu-
stadt 1927), S. 8.
97 REDLICH, Staats- und Reichsproblem, S. 29 f., auch 448.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277