Page - 68 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Image of the Page - 68 -
Text of the Page - 68 -
III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment
68
Hinzu trat für Beamte das Ausbildungsinstrument der Dienstprüfungen, das
in der Monarchie eine lange Tradition hatte.123 Jeder Kandidat des Konzept-
dienstes hatte sich nach drei Jahren Praxis einer Dienstprüfung, der sogenann-
ten politischen-praktischen Prüfung, zu unterziehen. Mayrhofer-Paces „Hand-
buch für den politischen Verwaltungsdienst“ (1903) gibt eine reiche Anzahl
an mannigfaltigen Fachprüfungen für alle möglichen Dienstzweige an, deren
tatsächliche Ablegung auch aus verschiedenen Lebensläufen der Beamten her-
vorgeht.124
Man erwartete von den gut ausgebildeten jungen Juristen und dem reformier-
ten Staatsdienst substanzielle Verbesserungen. Doch es kam anders. Das neue Sys-
tem ließ es sich wohl angelegen sein, das Besoldungssystem sowie die Rang- und
Diätenklassen der Beamten in ein übersichtliches, sehr differenziertes System zu
bringen mit 12 Rängen für den gesamten öffentlichen Dienst, die den jeweiligen
Status des Beamten bezeichneten. Die Rangklassen waren wiederum in Diäten-
klassen untergliedert, und diese gaben die Gehaltsstufe – mit einer Reihe von Ge-
haltsabstufungen nach Anciennität – an. Die Ränge I und II waren den hohen
politischen Funktionen (Vorsitzender des Ministerrates/der Ministerkonferenz
und Minister) vorbehalten, III und IV den eigentlichen höchsten bürokratischen
Ämtern (Statthalter, Landespräsidenten, Sektionschefs etc.), der Konzeptdienst,
der höhere Staatsdienst, der eine akademische Vorbildung erforderte, galt bis
zur Klasse VII, die Ränge VIII und IX, eventuell auch X wurden als der mitt-
lere Dienst angesehen; der sogenannte mindere Dienst, der keinen Beamtenstatus
hatte und die Diener sowie Dienergehilfen etc. inkludierte, wurde von den Rän-
gen XI und XII gebildet.125 Sie stellten die eigentlichen Randgruppen der Staats-
bediensteten dar.
Als Beispiele mögen der Beamtenstatus und die Besoldung einer Statthalterei
dienen,126 Rang und Besoldung der Zentralverwaltung und der Justiz sowie der
Kreis-und Bezirksverwaltung entsprachen ungefähr diesem Schema:
123 Siehe HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 44.
124 ERNST MA�RHOFERS Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst in den im Reichs-
rathe vertretenen Königreichen und Ländern mit besonderer Berücksichtigung der diesen Län-
dern gemeinsamen Gesetzen und Verordnungen, hg. von Graf Anton Pace (Wien 51903), Index-
band, S. 727.
125 Die Auflistung von Status, Rang und Besoldung der Beamten bei den Statthaltereien, Oberlan-
desgerichten, Finanzbehörde, der Kreise und Bezirke bei HEINDL, Bürokratie und Verwaltung
im Neoabsolutismus, S. 248–258.
126 RGBL. Nr. 10/1853.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277