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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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88 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? Mitglieder über die Angelegenheiten der Gemeinde mitbestimmen zu lassen. Als in der Gemeinde tätige wichtige Personen waren Beamte immer für den ersten und zweiten Wahlköper der Städte und Märkte wahlberechtigt. Diese Bestimmungen wurden mit dem Gemeindegesetz in die Februarverfassung von 1861 bezüglich der Landtage sowie in das Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 über die Reichs- vertretungen übernommen.9 Das passive Wahlrecht bezogen Beamte nach 1867 aus dem Status der Intelligenzwähler (sogenannte Virilisten). Die Staatdiener waren auf dieses Recht, „wahlberechtigte und wählbare Bürger“ zu sein, gegenüber der zwei- ten Berufsgruppe, die dem Staat im Besonderen verpflichtet war, den Offizieren, deren Wahlrecht stark beschnitten war, nicht zu Unrecht außerordentlich stolz.10 Noch vor dem Erlass des Staatsgrundgesetzes von 1867, schon in den 1860er- Jahren, in der sogenannten Ära der Verfassungsexperimente, zeigten sich aller- dings die ersten Probleme, die das Wahlrecht der Beamten barg. Damals wurde es von den Ministern prinzipiell begrüßt, Beamte im Reichsrat zu sehen, da sie Kenntnisse besäßen „und die Angelegenheiten nicht“ herumzögen.11 Gleichzeitig beschlossen sie aber, die Beamten als „ihre Organe“ bei den bevorstehenden Wah- len auf ihre Vorstellungen festzulegen, was die Minister nicht nur als ihr Recht, sondern als ihre Pflicht ansahen: Das Staatsministerium forderte die Beamten in einer schroff gehaltenen Weisung auf, ihre „heiligste Pflicht“ zu erfüllen und „mit dem Beispiele treuer Pflichterfüllung im ganzen Bereiche ihrer Amtstätig- keit“ „der tiefen Erschütterung der Autorität“ entgegenzuwirken. Dazu zählte ausdrücklich die Enthaltung von „Wahlagitationen, die gegen die wohlmeinende Absicht der Regierung gerichtet sind“, selbstverständlich wurde jedes Benehmen inkludiert, das von der Bevölkerung als Kampf gegen Kaiser und Obrigkeit inter- pretiert werden könnte. Dass die Minister damit in geradezu gröblicher Weise die Beamten für ihre Zwecke missbrauchten und gegen ihre Rechte als Staatsbürger – eine Floskel, die sie gerne im Mund führten – verstießen, kam ihnen nicht im Entferntesten in den Sinn, so sehr sahen sie die Beamten als Organe der Staats- 9 Gemeindegesetz vom 17. März 1849, RGBL. Nr. 170/1849 und § 12 des „Februarpatents“ vom 26. Februar 1861, RGBL. Nr. 20/1861, BERNATZIK, Verfassungsgesetze, Nr. 71, 285. Gesetz vom 21. Dezember 1867, § 8, RGBL. Nr. 141/1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichs- vertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, BERNATZIK, Verfassungsgesetze, Nr. 133, S. 394. 10 MEGNER, Beamte, S. 243. 11 Siehe Ministerratsprotokoll. vom 2. Jänner 1867/IV, ÖMR., Abteilung VI: Das Ministerium Belcredi, Band 2: 8. April 1866–6. Februar 1867, bearbeitet von Horst Brettner-Messler (Wien 1973).
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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