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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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92 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? den höheren Beamten kennt er dem Namen nach.“16 Und an anderer Stelle sagt er: „Nicht die Minister sind es, die eigentlich in Österreich regieren, sondern die Beamten mit dem Kaiser – eben darum, weil der Kaiser mehr verwaltet als regiert […]. Die Sektionschefs mit dem Kaiser zusammen sind die Herren des Landes.“17 Im Übrigen unterstützen manche Werke der belletristischen Literatur (von der noch ausführlich die Rede sein wird), etwa Joseph Roths „Radetzkymarsch“ – seit seinem Erscheinen im Jahr 1932 immer wieder aufgelegt und einige Male verfilmt – die Perspektive, Kaiser und Beamtentum in einer Symbiose zu sehen und sie als Stützpfeiler der Monarchie einzuschätzen. Und für Zeitgenossen scheint es tat- sächlich nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, eine gewisse Deckungsgleichheit in den Denkstrukturen von Franz Joseph und seinen Beamten anzunehmen. Franz Joseph selbst präsentierte gerne eine starke Identifikation mit dem Beamtenstand. Nicht nur dass sein Tagesablauf und seine Tätigkeit denen eines hohen Beam- ten glich, er hielt an autokratischen Manieren gegenüber Ministern und Beamten fest, befahl ihnen, wenn es notwendig war18 und gerierte sich auch gerne in der Öffentlichkeit als Vorbild für das Beamtenheer, dem er angeblich „an Fleiß, Ge- wissenhaftigkeit und Geschäftskunde überlegen“ war.19 Noch in der Volkszählung von 1910 gab er als Beruf „selbständiger Oberbeamter“ an20 – eine merkwürdige Berufsbezeichnung für den Souverän eines Großreiches. Gerade wegen dieser of- fensiven Selbstrepräsentation Franz Josephs als Beamter, die wohl als politisches Signal an die Öffentlichkeit gedacht war, Geschlossenheit, Einheit und Stärke zu demonstrieren, ist Vorsicht geboten, heute noch dem von Franz Joseph beabsich- tigten Werbeeffekt zu erliegen. Josef Redlich (1869–1936), selbst in jungen Jahren Beamter, später Abgeordneter zum mährischen Landtag und schließlich Minister, beschreibt in seinen Erinnerungen das Verhältnis zwischen den höheren Beam- ten des Bezirksamtes seiner Vaterstadt in Südmähren und dem Souverän in den 1870er-Jahren als korrekt und nicht untertänig: „Der politische Beamte stand in Österreich im ‚allerhöchsten Dienste‘, die alles überragende Gestalt des Kaisers 16 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 66 f. 17 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 80. 18 ERICH GRAF KIELMANSEGG, Kaiserhaus, Staatsmänner und Politiker. Aufzeichnungen des k. k. Statthalters Erich Graf Kielmansegg. Mit einer Einleitung von Walter Goldinger (Wien 1966), S. 44. 19 So Joseph Maria Baernreither, zit. nach BRUNO SCHIMETSCHEK, Der österreichische Be- amte (Wien 1984), S. 171. 20 WALTER GOLDINGER, Die Wiener Hochbürokratie 1848–1918. In: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 117 (1980), S. 313; HEINDL, Was ist Reform?, S. 166.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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