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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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94 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? ität des absolutistischen Systems noch immer die rechtsstaatliche Institution. Im Verfassungsstaat wurden nun aber naturgemäß andere Komponenten staatlicher Führung, von Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle wichtig, die den Beamten ihre singuläre Rolle, alleinige Repräsentanten des Rechtsstaates zu sein, die sie bis jetzt innegehabt hatten, streitig machten. Noch 1860 hatte der bereits erwähnte Carl Freiherr von Hock (1808–1869), ein hoher Beamter, Direktor des Hauptzollamtes, der es in den 1850er-Jahren zum Sektionschef im Finanzministerium brachte, das Beamtentum, das er für eine bunte, ja „demokratische Mischung“ hielt, etwas em- phatisch als „Ersatz der mangelnden demokratischen Elemente im Staatsorganis- mus“ und als „Surrogat der modernen Verfassung“ bezeichnet.23 Das konnte seit 1867 so nicht mehr gelten. Das Parlament, eine dem Parlament verantwortliche und auf die Verfassung vereidigte Regierung und die obersten Gerichte, die in der Folge eingesetzt wurden, hatten von nun an die Aufgabe, Hüter von Verfassung und Rechtsstaat zu sein. Gerade aus dieser Funktion, die sie nun teilen mussten, hatten aber die Beamten ihr Selbstverständnis bezogen. Wollen wir den in zeitge- nössischen Berichten und den in der Literatur häufig geschilderten Beamtentypen glauben, so waren sich die Inhaber von höchsten Ämtern ihres gesellschaftlichen Wertes weiterhin wohl bewusst und sahen in der Tatsache, als kaiserliche Beamte dem Allerhöchsten Herrn persönlich verpflichtet zu sein, ein beträchtliches Pres- tige. Für manche aber gestaltete sich das Verhältnis zur Krone heikel: Das waren jene, die politisch partizipieren und mitgestalten wollten, sei es an den neuen po- litischen Parteien, sei es an den immer heftiger werdenden nationalen Auseinan- dersetzungen. Die (hohen) Bürokraten waren selbstverständlich als die gebildeten Staatsbürger par excellence in Gesetz und Recht bewandert sowie mit den kultu- rellen Gewohnheiten des Bürgertums vertraut und dadurch dafür prädestiniert, politische Verantwortung zu übernehmen, die Geschicke des Staates zu leiten, an den parlamentarischen Vertretungen zu partizipieren und für politische Ämter Verantwortung zu tragen. Im ersten konstitutionellen Ministerrat von 1861 ge- hörten bezeichnenderweise alle Minister ausnahmslos dem Beamtenstand an.24 Jedoch blieben sie, wie schon dargelegt, auch als Minister wie als parlamentarische Vertreter weisungsgebundene Beamte des Kaisers, per Gesetz verpflichtet, seinen Willen zu erfüllen. Und sein Wille war es, die Beamten in einer Art politisch keimfreien Atmosphäre der „reinen Staatsidee“ – nur ihm verpflichtet – zu sehen. 23 HOCK, Österreich und seine Bestimmung, S. 161. 24 SCHIMETSCHEK, Der österreichische Beamte, S. 174.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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