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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
muss“, zu stehen haben.37 Unter dem Kabinett Hohenwarth erfolgten 1871 ähn-
liche Aufrufe.38
Dass alle diese Mahnungen nicht immer und überall fruchteten, zeigt das Bei-
spiel des hochrangigen Beamten der Statthalterei Innsbruck Sebastian Froschauer,
der gleichzeitig den Vorsitz im Landtag von Vorarlberg einnahm. Bald darauf
erfolgte die Zwangspensionierung des wackeren Beamten. Sein Crimen bestand
darin, der Kritik des damals liberalen Landtags an der Sistierung der Reichsver-
tretung durch Belcredi nicht entgegengetreten zu sein. Da die Regierung bald
darauf von den Liberalen gestellt wurde, erhielt Froschauer die volle Rehabilitie-
rung.39 Da der Reichsrat immer wieder die Mitsprache in Angelegenheiten der
Beamtenschaft beanspruchte, erfolgten in der konstitutionellen Ära diesbezüglich
permanent massive parlamentarische Interpellationen, die ebenso regelmäßig von
der Regierung ignoriert wurden. Bis zum Jahr 1895 lehnte es beispielsweise die
konservative Regierung Taaffe rundweg ab, dem Parlament Kompetenzen in der
Angelegenheit der Dienstpragmatik zuzugestehen. Erst Ministerpräsident Badeni
änderte diese Gangart.
Peter Urbanitsch beschreibt einige Fälle, wie Beamte behandelt wurden, die
aus parteipolitischen Gründen nicht in das Konzept der Regierung passten. Man-
gels anderer Handhaben wurden sie meistens versetzt: In den 1870er-Jahren ereilte
den Bezirkshauptmann von Spalato (Split), Emil Franz, der beschuldigt wurde,
als Beamter einseitig die autonomistische Partei des Bürgermeisters von Spalato
unterstützt zu haben, das Schicksal, in die Steiermark versetzt zu werden. Ähn-
lich erging es dem prononciert deutschliberalen Dr. Julius Fraenzel Ritter von
Vesteneck, einem Beamten im Kronland Krain und Abgeordneten im Krainer
Landtag, der im Jahr 1881 auf eine angebliche Hetzkampagne von einschlägigen
Zeitungen hin von der Regierung zunächst aus Krain entfernt und nach Graz,
kurze Zeit später – weil er nicht daran dachte, sein Mandat zurückzulegen – in
die kleine Bezirkshauptmannschaft nach Deutschlandsberg versetzt wurde.40 Und
im Zentrum der österreichischen Verwaltung in Wien wurde der hoch angese-
hene Sektionschef im Ministerium für Cultus und Unterricht, Karl Freiherr von
37 EDUARD GRAF TAAFFE, Der politische Nachlass des Grafen Taaffe: mit einem Porträt Taaffes
und einem Schriftstück in Faksimile, hg. von Arthur Graf Skedl (Wien 1922), S. 36.
38 URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 165.
39 Anton BUNDSMANN, Die Landeschefs von Tirol und Vorarlberg in der Zeit von 1815–1913
(= Schlern-Schriften 117, Innsbruck 1954), S. 72; URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum
„politischen Beamten“, S. 169 f.
40 URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 168 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277