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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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104 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? terventionen umso massiver verliefen, je höher der Posten war. Dazu zählte die exponierte, ja geradezu von Haus aus gefährdete Position eines Statthalters. Bei der Besetzung von Statthalterposten kam es besonders darauf an, dass die Natio- nalität sowie die Sprache(n) des zu Ernennenden der jeweiligen Nation/den Nati- onen und damit den nationalen, d. h. allen Parteien, sowie der Regierung genehm waren. Falls es sich herausstellte, dass diese Elitebeamten der Länder den Vorstel- lungen dieser Instanzen nicht entsprachen, konnte es schon vorkommen, dass sie zum Rücktritt veranlasst wurden. Die Parteien setzten Beamte, Regierungen, al- lenfalls auch (indirekt) den Souverän unter Druck, falls sie personalpolitische (Par- tei-)Wünsche hatten. So mussten die Statthalter von Tirol mit Vorarlberg Erwin Freiherr von Schwartzenau und Markus Freiherr von Spiegelfeld, die den Parteien nicht gefielen, ihr Amt verlassen. Schwartzenau passte den Deutschnationalen nicht ins Konzept, Spiegelfeld hatte sich die Feindschaft der Christlichsozialen und der Kirche zugezogen.55 Ebenso erging es dem Landespräsidenten von Krain Vic- tor Freiherr von Hein, der das Missfallen der katholisch-konservativen Kreise in Slowenien erregt hatte und deshalb 1905 seines Postens enthoben wurde. Die Me- thoden der Disziplinierung waren allerdings im Allgemeinen begrenzt. Da Beamte de facto nicht kündbar waren, behalf man sich – anscheinend oder tatsächlich – damit, unbotmäßige Staatsdiener zu versetzen oder sie in den zeitweiligen oder dauernden Ruhestand zu schicken (wie in den oben genannten Fällen). Niemals aber wurde offiziell der wahre – politische – Grund angegeben. Das Bekenntnis der Regierung und der verantwortlichen Personen, dass sie sich den Wünschen der Parteien gebeugt hatten, wäre zu peinlich gewesen. Der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass auch sehr hohe konservative Be- amte, die der Meinung des Kaisers oder der Regierung in nationalen und partei- politischen Fragen nicht entsprachen, gemaßregelt wurden. Einen solchen Fall stellte die Pensionierung des Statthalters von Böhmen Feldmarschallleutnant Baron Kraus durch Ministerpräsident Taaffe nach der Landtagswahl in Böhmen 1889 dar, da Kraus – nach Meinung Taaffes – eine „schwächliche Haltung“ gegenüber den Jungtschechen bewiesen hatte. Freilich geschah diese Amtsenthebung in eleganter Weise: Taaffe erinnerte den „hochverehrten Freund“, dass er ihn wiederholt aus „Gesundheitsrücksichten“ um Pensionierung ersucht habe; der Moment, diesem Anliegen zu willfahren, sei nun eingetreten – der eigentliche Anlass wurde nicht 55 Die Fälle bei BUNDSMANN, Die Landeschefs von Tirol und Vorarlberg, S. 169 ff., 203 und 230 ff.; siehe auch URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 164.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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