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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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108 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? trauischer Beobachtung“ in nichts nach. Er berichtet uns, dass die polnischen und tschechischen Beamten der Ministerien untereinander und mit ihren Abgeord- neten in Wien immer in Fühlung gewesen seien. „Sie informierten ihre Vertreter und fanden dafür auch bei ihnen Schutz und Hilfe. Dadurch kamen die deut- schen Beamten, die immer die objektiven Österreicher waren“ – so der eben nicht gerade objektive Kleinwaechter – „in die Hinterhand.“67 Für die Etablierung der Polen in der Wiener Verwaltung gab es einige hochran- gige Institutionen zur deren Förderung: Es boten sich das polnische Landsmann- schaftsministerium, der wichtige Polenklub im Reichsrat und, wie von Klein- waechter erwähnt, das Finanzministerium unter polnischer Führung an. Neben den Polen bildeten die Tschechen eine besonders heikle Gruppe unter den Beam- ten. Sie waren seit den 1840er-Jahren – zunächst in den unteren Positionen – in den Zentralstellen in Wien im Vormarsch68 und hatten, so wird berichtet, gegen die Jahrhundertwende in den Wiener Ministerien bereits eine ansehnliche Ver- tretung. Robert Ehrhart, wie erwähnt in den 1890er-Jahren Konzeptsbeamter im Unterrichtsministerium, gibt uns einen anschaulichen Einblick: „in Ämtern und Vertretungskörpern, in Wissenschaft, Literatur und Kunst, in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel“ und gesellschaftlich gesehen überhaupt seien die Tsche- chen „sehr stark im Aufwind begriffen“ gewesen.69 Robert Ehrhart vermittelt uns aber auch den Eindruck, dass die Tschechen in Wien, von denen er übrigens eine stattliche Reihe als „beste Klasse der österreichischen Ministerialbürokratie“ gelten ließ, sich sehr bald assimiliert hätten.70 Er führte als überzeugendes Beispiel unter anderem seinen ersten Chef im Unterrichtsministerium, Josef Kanera, an, den er „nach Geburt, Erziehung und Bewusstsein“ als „Volltschechen“ bezeichnete. Kanera heiratete eine Wienerin und nahm ohne „Bitterkeit“ zur Kenntnis, dass sein Sohn nur mehr „Wiener“ war.71 Er wäre im Übrigen, so meint Ehrhart, in nationaler Hinsicht unbestechlich gewesen. Obwohl tschechischer Abkunft hätte er eine „slawische“ Lehrerin, die national „excedierte“, unnachsichtig behandelt.72 Ehrhart analysierte auch die nationalen Gefühle der deutschsprachigen Österrei- cher und bestätigte ihnen – „das Reich der Bürokratie“ ausgenommen – „ein be- 67 KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 102. 68 HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 217 f. 69 EHRHART, Im Dienste 92; zu den Tschechen in der Zentralverwaltung auch DEAK, The Austrian Civil Service, S. 249 f. 70 EHRHART, Im Dienste, S. 74 f. 71 EHRHART, Im Dienste, S. 74. 72 EHRHART, Im Dienste, S. 96.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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