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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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109 5. Nationale Illustrationen scheidenes Gefühl eigener Überlegenheit“ gegenüber den anderen Bewohnern der Monarchie, gegenüber Böhmen, Südslawen, Polen, Italienern sowie gegenüber den Bewohnern der anderen Reichshälfte. Einschränkend meint er, dieses Gefühl sei jedoch keiner nationalistischen Gesinnung entsprungen, die Deutsch-Öster- reicher, vor allem die Wiener, fühlten sich einfach „erbansässig“, sie hätten „die anderen“ aber doch als „Österreicher“ betrachtet.73 Diese Pauschalierungen von Zeitgenossen, die die unterschwelligen Ängste um die „deutsche Vorherrschaft“ ausdrückten, waren unbegründet: Noch 1914 kamen drei Viertel der 6.293 Mi- nisterialbeamten aus der deutsch-österreichischen Bevölkerung, ein (nicht gerade überwältigendes) Viertel von den anderen Nationalitäten der Monarchie. Dieses Viertel setzte sich aus 43 % Tschechen, 20 % Polen, 18 % Ungarn, knapp über 10 % Südslawen, knapp 5 % Italienern, 2 % Rumänen und 2 % Ruthenen zusammen.74 Von den Beamten einer der vornehmsten Behörden, dem k. u. k. Ministerium des Äußern, wird seit jeher kolportiert, dass sie von Nationalismen frei gewesen seien und keinerlei nationale Politik betrieben hätten. Genährt wurde diese Be- hauptung von zahlreichen Erzählungen dort beamteter Zeitgenossen, etwa von Karl Erb und Alexander Graf Musulin, der etwas pathetisch den Beamtenkörper des Ministeriums als ein „einheitliches, harmonisches Bild“ porträtierte, „als ob er aus einem Gusse, aus einer Sprache und einem Stamm gewesen wäre“.75 Die Tatsa- che, dass das Beamtenkorps des Außenministeriums ein elitärer Sonderfall inner- halb der Wiener Ministerien war, da es als ein Refugium der Aristokratie galt, die vielfach international verwandt und verschwägert und wenig bis gar nicht natio- nal eingestellt war, trug zu der gerühmten anationalen Grundstimmung bei. Die- 73 EHRHART, Im Dienste, S. 78. 74 Nach KARL G. HUGELMANN (Hg.), Das Nationalitätenrecht des alten Österreich (Wien/ Leipzig 1934), S. 280; HAFNER, Sozio-ökonomischer Wandel, S. 243. 75 ALEXANDER MUSULIN, Das Haus am Ballhausplatz. Erinnerungen eines österreichisch- ungarischen Diplomaten (München 1924), S. 136; zu Karl Erb ÉVA SOMOG�I, Im Dienst der Monarchie oder der Nation? Ungarische Führungsbeamte am Ballhausplatz. In: Öster- reichische Osthefte 44/3 und 4 (2002), S. 625; neuerdings sehr ausführlich zu den ungarischen Beamten ÉVA SOMOG�I, Professionalisierung und Veränderung der nationalen Identität von ungarischen Beamten im gemeinsamen Ministerium des Äußern. In: MIÖG. 118 (2010), S. 140–167 (Teil 1) und MIÖG. 119 (2011), S. 116–140 (Teil 2); darüber in ungarischer Sprache ÉVA SOMOG�I, Magyar Diplomaták a közsös külügyminisztériumban (Ungarische Diplomaten im gemeinsamen Minsterium des Äußern). In: Századok. A Magyar történelmi társulat folyóirata. Az alapítás Éve 1867. Különlenyomat 3/138 (2004), S. 602–672; ÉVA SOMOG�I, Hagyomány és átalakulás. Állam és bürokrácia a dualista Habsburg Monarchiában (Tradition und Transfor- mation. Staat und Bürokratie in der Doppelmonarchie) (Budapest 2006).
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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