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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 116 Ein heikles Kapitel bildete die Sprachenfrage besonders innerhalb der Beam- tenschaft in Böhmen und Mähren, wo es einigermaßen eindeutige Sprachgrenzen sowie auch gemischtsprachige Gebiete gab, wie Pavla Vošalíková, eine ausgezeich- nete Kennerin des tschechischen Beamtentums, hervorhebt.98 In den Erinnerun- gen tschechischer Beamter aus Böhmen und Mähren, die von ihr herausgegeben wurden, wird deutlich, dass das Klima innerhalb der Beamtenschaft, selbst in den gemischtsprachigen Ämtern, in den 1860er-Jahren noch ganz „erträglich“ war,99 wogegen um die Jahrhundertwende die Animositäten, das Misstrauen gegenüber den jeweils anderssprachigen Beamten – selbst versteckterweise in den Ministe- rien in Wien – starke Konturen annahm.100 Wie heikel die Sprachenfrage in den tschechischen Ländern war, zeigt die Besetzung der vorgesetzten höheren Stel- len mit deutschsprachigen Österreichern, die eine Provokation für die Tschechen darstellte, gemildert nur dann, wenn die Umgangssprache zwischen diesen Chefs und den Arbeitern Tschechisch war.101 Im Allgemeinen, so Ehrhart, sei der Be- amte in diesem national aufgeheizten Klima von Zeitgenossen als „Pionier einer Landnahme gesehen“ worden.102 Der Kampf zwischen deutsch- und tschechisch- sprachigen Beamten gipfelte bekanntlich in den Badenischen Sprachenverordnun- gen, die essenzielle und existenzielle Probleme der Staatsdiener berührten. Die geplanten Gesetze sahen unter anderem vor, dass die Beamten im ganzen Land in beiden Sprachen, also Tschechisch und Deutsch, zu amtieren hatten. Für beide Teile, tschechisch- sowie deutschsprachige Beamte, sollten allein diese Entwürfe, obwohl nicht zur Ausführung gekommen, die Situation verschlimmern. Die deutschsprachigen Beamten, des Tschechischen meist nicht kundig, radikalisier- ten sich politisch, um diese für sie sozial bedrohliche Gefahr abzuwenden. Es kam zu wilden Auseinandersetzungen sowohl im Parlament als auch auf der Straße. Als die Badenischen Sprachenverordnungen schließlich scheiterten, war auch den tschechischen Beamten die Hoffnung genommen, aufgrund ihrer Kenntnisse bei- der „Landessprachen“ mehr Posten im eigenen Land besetzen zu können. Der Nachfolger Badenis, Paul Freiherr Gautsch von Frankenthurn (1897–1899), revi- dierte die Badenische Verordnung durch die an sich vernünftige Verfügung, dass 98 VOŠALÍKOVÁ, Einleitung zu Von Amts wegen, S. 19 f. und 38. 99 Das berichtet z. B. der technische Beamte bei den Staatseisenbahnen BAZIKA über Bodenbach (Podmokly). In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 126. 100 Siehe besonders FASSE über Prag, Bodenbach (Podmokly), Laun (Louny) und Wien. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 245, 249 f., 254, 256, 258–260. 101 So FASSE. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 246. 102 EHRHART, Im Dienste, S. 72.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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