Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Page - 117 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 117 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Image of the Page - 117 -

Image of the Page - 117 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Text of the Page - 117 -

117 5. Nationale Illustrationen jeder Beamte die im Dienst notwendige Sprache beherrschen müsse. Allerdings war diese Formulierung sehr weit interpretierbar und stellte damit keine wirk liche Lösung dar. Dessen Nachfolger Franz Graf Thun-Hohenstein, ein tschechen- freundlicher Feudaler, hatte mit seinen Verhandlungen noch weniger Glück, sie wurden wieder mit Straßendemonstrationen beantwortet. Selbst danach wurden die Staatsdiener aller Sprachgruppen und aller Ebenen jahrelang durch die von den verschiedenen Parteien eingereichten Entwürfe, die sie in unterschiedlichster Weise zur Erlernung der Sprachen verpflichten sollten, zutiefst verunsichert.103 Die Beamten aller Ebenen wurden aber auch im Parteienverkehr mit der Sprachenfrage konfrontiert. Vonseiten der Bevölkerung wurde der Ruf nach der Verwirklichung des Rechts, sich in der Muttersprache auf den verschiedensten Ebenen auszudrücken, immer lauter. Die Ausbildung in der Muttersprache, die Unterrichtssprache, musste notgedrungen eine immer größere Rolle spielen, die Beschwerden nahmen zu und die Behörden hatten weitreichende Entscheidun- gen zu fällen, die nicht immer minderheitenfreundlich waren – und je näher sie geografisch dem Problem in den Ländern waren, desto weniger erweckten sie den Anschein, objektiv zu sein.104 Noch kampflustiger ging es in der Beamtenschaft auf Bezirks- und Gemeinde- ebene zu, wo die Nationalitätenkämpfe bezüglich der Sprachenfrage äußerst heftig ausgetragen wurden. In dieser allgemeinen Verwirrung reagierten die Beamten umso weniger besonnen, je mehr sie zum Spielball der Parteien wurden. Pieter Judson, der sich in seiner eingehenden Studie über die nationalistischen Aktivi- täten in gemischtsprachigen Gebieten von Böhmen und der Steiermark beschäf- tigte, zeigt am Beispiel von einigen nationalistischen Ausschreitungen in kleinen gemischtsprachigen Orten in Südböhmen (Bergreichenstein/Kašperské Hory und Schüttenhofen/Sušíce) im Jahr 1908 deutlich die schwierige Situation – sowohl der tschechischen als auch der deutschsprachigen Beamten, da jeder einzelne Beamte von den Nationalisten beider Couleurs argwöhnisch nach ihrer Sprach- gruppe eingeteilt, danach beobachtet und beurteilt wurde.105 Dadurch waren sie in der Öffentlichkeit ununterbrochenen Vorwürfen der anderen Sprachgruppe aus- 103 Zu den Lösungsvorschlägen der „deutschen“ Parteien von 1899 und der Sozialdemokratie siehe BURGER, Sprachenrecht, S. 164; zum Thema Badeni-Krise auch DEAK, The Austrian Civil Service, S. 268–273. 104 BURGER, Sprachenrecht, z. B. S. 62–74, insbesondere Kapitel 3 und 4, vor allem S. 201–234, 236–239. 105 PIETER M. JUDSON, Guardians of the Nation. Activists on the Language Frontiers of Impe- rial Austria (Cambrigde Mass. 2006), S. 177–218.
back to the  book Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich"
Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Josephinische Mandarine