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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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120 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? litätenhaders, dessen Opfer sie schließlich waren, als ein sicherer Orientierungs- punkt erschienen sein. Handelte es sich um eine Rückkehr zum althergebrachten Fürstendiener, der nun im anbrechenden 20. Jahrhundert den modernen Staats- diener wiederum verdrängte? Jedenfalls hat es den Anschein, dass die Kaisertreue der Beamten seit 1867, wo sie noch als liberal in Distanz zum Hof galten, im Laufe der Jahre eher zu- als abnahm. Abschließend können wir feststellen, dass auch die Bürokratie von dem Bazil- lus Nationalismus befallen war. Allerdings – Gesinnungen und Handlungen ge- hen bisweilen auseinander. So wird den Beamten in der beruflich-bürokratischen Behandlung von nationalen Fragen in der Praxis, die kraft ihres Amtes laufend gefordert war – zumindest in den höheren Rängen in den Zentralstellen in Wien, aber auch in vielen Kronländern – auch von der modernen Geschichtsschreibung ein hohes Maß an juristischer Ausgewogenheit und nationaler Gerechtigkeit at- testiert. Es existierte aber, wie wir sahen, in der Behandlung von Minderheiten- angelegenheiten der Behörden ein Gefälle, das uns auch heute nicht unbekannt ist: Die höchsten Stellen in Wien mit ihrer Hochbürokratie waren weit weniger anfällig für nationale Strömungen und trugen dem Prinzip der nationalen Gleich- berechtigung weit mehr Rechnung als die Bürokraten in den Ämtern der Länder. Auch Gerald Stourzh urteilt aufgrund seiner differenzierten Studien über die Ju- dikatur von Verwaltungsgerichtshof und Reichsgericht, betreffend die Verletzung des Rechts der sprachlichen Gleichberechtigung, dass die Zentralbehörden die Gleichberechtigung „ernster“ als die autonome Verwaltung nahmen, die meist von der Bevölkerung der Sprachmehrheit beherrscht wurde.113 Die Hochbüro- kratie war von der ethischen Auffassung des Beamtenberufes, zu der Gerechtig- keit, Objektivität und Enthaltung von Parteinahme gehörten, seit Jahrhunderten geprägt. Schon Justus Lipsius hatte diese Tugenden eingefordert. Diese Haltung blieb bis zum Ende der Monarchie bestehen.114 Gegen Ende der österreichisch- ungarischen Monarchie wurden allerdings auch in den Zentralstellen, die als nati- onalpolitisch integer galten, von Insidern Anzeichen von bedenklichen Nationa- lismen wahrgenommen.115 113 STOURZH, Die Gleichberechtigung der Volksstämme, S. 1084. 114 BURGER, Sprachenrecht, S. 237; auch GOLDINGER, Die Wiener Hochbürokratie, S. 320. 115 Siehe Kapitel „Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus“, S. 162.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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