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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
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der Regierung Adolf Auersperg für die Beamten aus: Es handle sich nicht darum,
„wie viel sie den Beamten geben solle, sondern darum, wie viel sie ihnen geben
könne“.154 Am 15. April 1873 wurde endlich das Beamtengehaltsgesetz erlassen, das
ein neues Gehaltsschema mit neuen hierarchischen Rängen festlegte155 und die Ein-
teilung der Beamtenschaft in 11 Rangklassen (vorher gab es 12, allerdings unter
dem Namen Diätenklassen) vornahm, die zugleich die Gehälter bestimmten. Die
Gehälter hatten nach wie vor eine beträchtliche Spannweite: von 14.000 Gulden
für Rangklasse I (für den Ministerpräsidenten) bis zu 600 Gulden in der nieders-
ten Rangklasse XI (das entsprach dem Mindestlohn eines Arbeiters). Dazwischen
lagen die Rangklasse III mit 9.000 Gulden (für den tatsächlich ersten, höchsten
Beamtenrang, die Statthalter, Präsidenten der Oberlandesgerichte etc.), die höchs-
ten Ränge der Ministerien, die Sektionschefs, waren im Rang IV mit 7.000 Gul-
den Gehalt eingereiht,156 ab den Rangklassen V und VI mit 5.500 bis 3.600 Gul-
den waren die Konzeptsbeamten zu finden. Die Rangklassen VIII bis V konnten
sich teilweise mit den mittleren Rängen (für gewöhnlich Beamte mit Matura und
mit Leitungsfunktion) überschneiden. Die niederen Beamten konnten fallweise –
eventuell als Kanzleileiter – die VII. Klasse erreichen.157
Das Verhältnis der obersten und niedrigsten Beamtengehälter stand damit
9.000 : 600 Gulden oder 15 : 1 gegenüber einem Verhältnis der Gehälter der
1850er-Jahre von 37 : 1, was eine gewisse „Demokratisierung“, zumindest eine
deutliche Verbesserung zugunsten der kleinen Gehälter erkennen lässt. Der Kaiser
persönlich ernannte die ersten sechs Klassen, die Minister die siebente, achte (und
weiter abwärts); den Landeschefs (in den Kronländern) stand die Ernennung der
Subalternen im Land zu. Die zeremonielle Eidesleistung, Kaiser und Staat treu zu
dienen, war ein probates Mittel, Ehrfurcht und Loyalität hervorzurufen.
Das Leben der Beamten wurde bedeutend erleichtert, indem man zu dem alt-
bekannten und bewährten Instrument der Zulagen griff. Die Beamten der V. bis
154 RRPROT., Haus der Abgeordneten, VII. Session, 64. Sitzung am 1. März 1873, S. 1283.
155 Gesetz vom 15. April 1873 „betreffend die Regelung der Bezüge der activen Staatsbeamten“,
RGBL. 47/1873.
156 Debatte in RRPROT., Haus der Abgeordneten, VII. Session, 66. Sitzung vom 4. März 1873, S.
1283–1292.
157 ERICH GRUBER, RICHARD PFAUNDLER, Die Besoldungsverhältnisse der Beamten-
schaft und die neuere Entwicklung der Besoldungspolitik in Österreich. In: Die Beamten-
besoldung im modernen Staat, hg. von Wilhelm Gerloff, Band 2 (= Schriften des Vereins für
Sozialpolitik 184 / II, München/Leipzig 1934), S. 118; auch MEGNER, Beamte 135 f; DEAK,
The Austrian Civil Service, S. 249–252; eine neue Übersicht der Beamtengehälter getrennt nach
Gehältern und Zulagen in ANHANG II, S. 288 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277