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7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung
auf das Tragen von Uniformen – gebunden an die rangmäßige Stellung. Zum
ersten Mal wurde ausdrücklich das Recht auf Urlaub angeführt, gestaffelt nach
der Rangklasse: Zwei Wochen wurden der Rangklasse XI zugebilligt, drei Wochen
für die Rangklassen X und IX, vier Wochen für die Rangklassen VIII und VII
sowie fünf Wochen ab der Ranglasse VI. Vermutlich hielt man den Dienst im
„Konzept“ für anstrengender und die Konzeptsbeamten daher für erholungsbe-
dürftiger als die „niederen“ Dienstleister. Unter den Rechten wurden auch das
Recht auf Vorrückung sowie das Recht auf Ruhe- und Versorgungsgenüsse auf-
gezählt. Die Bezüge liefen bei Krankheit weiter, ja sogar bei ungerechtfertigtem
Fernbleiben vom Dienst bis zu drei Tagen. Militärdienst und Präsenzdienst wurde
in die Dienstzeit eingerechnet. Bei Veränderungen, z. B. Versetzungen, musste auf
die Befähigung des Beamten Rücksicht genommen werden. Quieszierungen, die
Versetzung in den zeitlichen Ruhestand, falls kein Posten zu Verfügung stand, wa-
ren nach wie vor möglich. Wenn ein Beamter drei Jahre nicht entsprochen hatte,
konnte er in Pension geschickt werden. Für faule Beamte gewiss kein angenehmes,
aber auch kein allzu hartes Los!
Die Disziplinierung der Beamten wurde durch ein besonderes Disziplinar-
verfahren geregelt. Danach wurden Ordnungsstrafen (Verwarnung, Geldbußen)
nicht in den Standesausweis eingetragen, sie hatten also keine Auswirkung auf
das Leben des Beamten; dagegen griffen die Strafen der Disziplinarkommission
(Verweis, Stopp der Vorrückung, Minderung des Einkommens, Versetzung in
den Ruhestand – auch mit vermindertem Einkommen, Entlassung) tief in die
Existenz der Beamten ein. Auch das bis jetzt bereits praktizierte Recht der Dis-
ziplinarkommission, Beamte zu suspendieren, wurde festgeschrieben. Neu war
die Bestimmung der Immunität für politisch tätige Staatsdiener, wichtig für jene
Beamten, die Reichsratsmitglieder waren. Diese Bestimmung berührte die bereits
erwähnte heikle Beziehung der Beamtenschaft zur Politik, zu Kaiser, Staat, Nation
und Partei, die sich seit 1867 als ungelöstes Problem – wir erinnern uns – durch
die Epoche gezogen hatte.
Obwohl diese Studie den höheren Bürokraten gewidmet ist, sei der Vollstän-
digkeit halber festgestellt: Sozial gewonnen hatten mit der Dienstpragmatik die
Letzten in der Rangordnung des Staatsdienstes, die Diener, da bestimmt wurde,
dass ein provisorisch angestellter Diener nach längstens einjähriger zufriedenstel-
lender Dienstleistung definitiv anzustellen sei.184 Unter den Dienern waren viele
ehemalige Unteroffiziere zu finden, denn seit 1872 hatten Unteroffiziere nach
184 Dienstpragmatik, RGBL. Nr. 15/1914, S. 114.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277