Page - 195 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Image of the Page - 195 -
Text of the Page - 195 -
195
3. Verbindende Gemeinsamkeiten
Wien. Die neuen Amtsgebäude, die notwendig wurden, verfolgten augenschein-
lich den Zweck, Glanz und Glorie des österreichischen Kaiserreiches zu reprä-
sentieren, denn man brachte sie in der Nähe des Hofes des Allerhöchsten Herr-
scherhauses im Herzen der Stadt in vornehmen, schönen Gebäuden unter. Das
Ministerium des Äußern blieb wie die alte Staatskanzlei im traditionellen Ballhaus
am (heutigen) Ballhausplatz, das Finanzministerium (früher Hofkammer) zog in
das prächtige barocke Winterpalais des Prinzen Eugen (Himmelpfortgasse), das
neu gegründete Ministerratspräsidium fand gemeinsam mit dem Ministerium für
Cultus und Unterricht im klassizistisch umgebauten Palais Modena (Herrengasse)
seine neue Heimstätte, das Unterrichtsministerium bezog 1871 das frei gewordene
Palais Starhemberg (Minoritenplatz). Das Innenministerium blieb 1848 wie die
Vorgänger-Behörde, die Vereinigte Hofkanzlei (früher Böhmisch-österreichische
Hofkanzlei), im schönen barocken Gebäude der ehemaligen Böhmisch-österrei-
chischen Hofkanzlei, das Justizministerium blieb wie die Vorgänger-Behörde,
die Oberste Justizstelle, in einem der Liechtenstein’schen Häuser in der Vorderen
Schenkenstraße (heute Löwelstraße). Die Geschichte des Verwaltungsstaates spie-
gelt sich in der Auswahl der höchsten Amtsgebäude wider. Die Schönheit konnte
freilich die Tatsache nicht übertünchen, dass diese Prunkbauten für Büros nicht
sehr geeignet waren, zu wenig Platz für die größere Beamtenzahl vorhanden war,
sodass die Arbeitsräume – außer den Repräsentationsräumen des Ministers, des
Präsidiums sowie der Sektionschefs – oftmals aus kleinen Verschlägen bestanden,
wo Beamte ihre Dienste verrichten mussten.340
Auch die Errichtung der vielen „gewöhnlichen“ Amtsgebäude wurde nicht
dem Zufall überlassen. Wenn wir heute durch die Gebiete der ehemaligen Mo-
narchie reisen, ist es für ein einigermaßen geübtes Auge nicht schwierig, die ehe-
maligen „ärarischen“ Gebäude, die Schulen, Bezirksgerichte, Bezirkshauptmann-
schaften, Statthaltereien, Krankenhäuser und Bahnhöfe auf Anhieb als „k.k.“
zu diagnostizieren. Man hatte sich dem Prinzip, dass der ärarische Stil Spargeist
zu demonstrieren habe, sehr früh, seit dem beginnenden 19. Jahrhundert, ver-
schrieben, wie das ehemalige Polytechnikum in Wien am Karlplatz, die heutige
Technische Universität, errichtet 1815 in einem damals modernen, aber einfachen
klassizistischen Stil, beweist. Die Maxime, einer möglichst nüchternen Architek-
tur zu huldigen, wurde an den ärarischen Gebäuden, die ab den 1850er-Jahren
im späthistoristischen Stil entstanden, fortgesetzt. Das Arsenal in Wien sowie
die Rossauerkaserne – obwohl wie Trutzburgen anmutend – sind Protobeispiele.
340 Vgl. die Schilderung KLEINWAECHTERS im Kapitel „Arbeitszeit und Amtsräume“.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277