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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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V. Das soziale Umfeld 210 im 19. Jahrhundert beschäftigt, stellt der Kategorie Öffentlichkeit, die vom Mann beherrscht wurde, üblicherweise als Gegenpol das „Nest“ der bürgerlichen Familie, gegenüber. In der Familie schaltete und waltete die Ehefrau über Haus, Dienstbo- ten, Küche, Kinder. Der vom Beruf und seinen öffentlichen Aufgaben gestresste Mann kehrte meist zu Mittag und am Abend zurück, um in der Intimität der Fa- milie Ruhe und Erholung von seiner harten Arbeit für Kaiser und Staat zu finden.381 Bei der Lektüre der Memoiren der Beamten bekommen wir freilich den Eindruck, dass die Familie von den Staatsdienern nicht als die Essenz ihres Beamtenlebens gesehen wurde:382 In diesen wird hauptsächlich vom Berufsleben, wenig jedoch von der privaten Sphäre in der Familie, von Ehefrau und Kindern, berichtet, von denen wir daher den Eindruck gewinnen, sie wären Randfiguren im Leben der Beamten gewesen. Die stereotypen und standardisierten Formen der schriftlichen Erinnerun- gen mögen das Resultat des Beamtenberufes gewesen sein: Zum einen war Familie Privatsache und wurde der Öffentlichkeit nicht preisgegeben, nach der Manier des bürgerlichen „guten Tons“ des 19. Jahrhunderts, die bekanntlich vorschrieb, Frauen und Kinder von Berufsleben und Öffentlichkeit zu trennen. Zum anderen wur- den Berufsangelegenheiten nicht in die Familie hineingetragen, wie es das Amtsge- heimnis, das offenbar von den Beamten tief verinnerlicht worden war, gebot. Der Anschein der Vermengung wurde sogar in den persönlichen Erinnerungen vermie- den. Die Separierung hatte eine lange Tradition. Schon der „Knigge“ stipulierte Ende des 18. Jahrhunderts in seinem Kapitel über den Umgang in der Ehe, dass der Mann, „der an den Staat geknüpft ist, oft Geheimnisse zu bewahren hat, die nicht ihm gehören. […] er kann unmöglich so immer Alles erzählen und mittheilen“.383 Daher wird der Eindruck erweckt, dass dem bürgerlichen Wertekanon und dem Beamtenethos zufolge Ehemann und Ehefrau in getrennten Welten lebten.384 Dass in der Realität dem nicht so gewesen sein kann, geht bereits aus dem vorhergehen- 381 Zu der reichhaltigen Literatur über die städtische bürgerliche Familie siehe HANNES GRAN- DITS, Ländliches und städtisches Familienleben. In: Die Habsburgermonarchie 1848–1918, IX: So- ziale Strukturen, 1. Teilband: Von der feudal-agrarischen zur bürgerlich-industriellen Gesellschaft, Teil 1: Lebens- und Arbeitswelten in der industriellen Revolution, hg. von Helmut Rumpler und Peter Urbanitsch (Wien 2010), S. 621–699, besonders 689–699; HEINDL, Geschlechterbilder und Geschlechterrollen. In: ebd., S. 716–723; HANNES STEKL, Bürgertumsforschung und Famili- engeschichte. In: Bürgerliche Familien. Lebenswege im 19. und 20. Jahrhundert, hg. von Hannes Stekl (= Bürgertum in der Habsburgermonarchie VIII, Wien/Köln/Weimar 2000), S. 9–33. 382 Siehe Kapitel „Bürokratie und Beamte. Eine Spurensuche“. 383 ADOLPH FREIHERR von KNIGGE, Über den Umgang mit Menschen (Hannover 1788; Nachdruck München o. J.), S. 159. 384 VOŠALÍKOVÁ, Einleitung zu: Von Amts wegen, S. 32 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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