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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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V. Das soziale Umfeld 220 zierten Berufen verschafft hatten, blieb – so wollte es die Konvention – ihr Platz im Haus bei der Familie. Andererseits war auch schwere Arbeit im Haus zu leisten, für eine bürgerliche Beamtenfrau verpönt; dazu hatte „man“ Dienstpersonal. Für Ehefrauen, die zwar in höhere Ränge, doch ohne Eigenkapital eingeheiratet hatten, sah die Wirklichkeit allerdings anders aus, wie zum Beispiel bei Frau Rat Hálová, die bei der Eheschließung zwei Kinder aus der ersten Ehe des Mannes übernom- men hatte und selbst zehn Kinder gebar.418 Die finanzielle Situation war trotz der gehobenen Position des Mannes angespannt, was sich selbstverständlich stark auf die Zukunft der Söhne, die trotzdem studierten – und vor allem der drei Töchter – auswirkte. Diese motivierten sich selbst, einen Beruf zu ergreifen, wollten sie nicht als arme „alte Jungfern“ im Haus von Verwandten geduldeterweise ihr Leben verbringen. Allerdings mussten sie sich erst gegen die „Standesgründe“ der Eltern durchsetzen,419 um Buchhaltung und Nähen lernen zu dürfen. Unter diesen Bedin- gungen zählten die Beamtentöchter zu den Ersten, die die traditionelle Mädchen- erziehung an höheren Töchterschulen, wo sie zwar eine höhere, wenn nicht eine hohe Bildung, aber keinen Beruf erwarben, durchbrachen420 und die ersten (Pri- vat-)Gymnasien bevölkerten, wie das erste Mädchengymnasium in Prag Minerva. Von den ersten 51 Schülerinnen kamen 1890 30 Mädchen aus Beamtenfamilien.421 Ähnlich ging es an den Gymnasien in Graz und Wien zu. Die jungen Frauen er- griffen sogar die Gelegenheit, als ihnen um die Jahrhundertwende erste Möglich- keiten geboten wurden, Studien an der Universität zu absolvieren und Berufe zu ergreifen. Vorher war unverheirateten Töchtern höherer Beamter nur der Beruf der Lehrerin oder der Gouvernante geblieben, den sie aufgrund ihrer meist privaten Ausbildung erfüllen konnten. Für ledige Töchter der Subalternbeamten kam ab den 1860er-Jahren nur selten eine andere Laufbahn als außerhäusliche Lohnarbeit infrage. Sie gehörten zu den ersten Frauen, die, wie bereits beschrieben, im Telegra- fen- und Postdienst arbeiteten.422 Die Töchter von Beamten wurden so – ungewollt – zum Motor einer qualifizierten Berufstätigkeit der Frau. Die Söhne der höheren, oft genug aber auch der subalternen Beamtenfamilien wurden traditioneller Weise angehalten, ein Studium zu absolvieren423 – meistens, um wie der Vater wieder in den Staatsdienst zu treten. 418 HÁLOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 274 f. 419 HÁLOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 285. 420 MATIEGKA, MATIEGKOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 311, 321 und 337 f. 421 VOŠALÍKOVÁ, Einleitung zu Von Amts wegen, S. 29. 422 Siehe Kapitel „Die ungewohnte Neue. Frauen im Staatsdienst“. 423 HÁLOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 277, 280, 282 und 300.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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