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2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler
gen“ zuging. Auch ein Max Burckhard (1854–1912),550 Dozent des Privatrechts an
der Universität Wien, Hofrat am Verwaltungsgerichtshof und Beamter im Minis-
terium für Cultus und Unterricht, Schriftsteller einer Reihe von dramatischen Wer-
ken, wurde schließlich als Direktor des k. k. Hofburgtheaters (1900–1909) ein lei-
tender Bürokrat im Staatsdienst. Er war bereits vorher eine im Kulturleben Wiens
hoch angesehene Persönlichkeit, ein Freund und Salonbesucher von Alma Mahler
gewesen (die er als Deutschnationaler angeblich antisemitisch beeinflusste). Auch
der erwähnte Schriftsteller und Beamte im Unterrichtsministerium Max von Mil-
lenkovich-Morold wurde Burgtheaterdirektor, er wurde allerdings von Kaiser Karl
wegen seiner deutschnationalen Gesinnung im Jahr 1918 seiner Funktion enthoben
(und später als nationalsozialistischer Schriftsteller berühmt).551 Mahler und Burck-
hard sowie alle anderen Direktoren der Hofoper und des Hofburgtheaters oder auch
der spätere Professor an der Wiener Universität (ab 1861) und Musikkritiker Eduard
Hanslick sind nicht in die Reihe der typischen Beamten zu stellen. Hanslick bei-
spielsweise vermerkte sehr freimütig, dass er kein Beamter „von Beruf und Neigung“
gewesen sei.552 Doch wer würde vermuten, dass der Operettenkomponist Carl Zeller
(1842–1898), dessen „Vogelhändler“ ein Publikumsschlager wurde, studierter Jurist
und wohlbestallter Kunstreferent im Unterrichtsministerium war?553 Doch es blieb
auch diesen Künstlern nicht erspart, genauso wie ihre weniger musisch orientierten
„Kollegen“ in den Verwaltungsbehörden mit Dienstrecht, Personalangelegenheiten,
Gehältern, Gehaltsvorrückungen, Budgets und anderen bürokratischen Angelegen-
heiten zu kämpfen.
Die dichtenden Beamten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in
der Beamtenschaft stark vertreten waren, scheinen zumindest zum Teil gleichzei-
tig hervorragende Beamte, Autoren juristischer Abhandlungen und Schriftsteller
gewesen zu sein. Hans von Perthaler (1816–1862) schrieb Gedichte, Novellen und
ebenso ausgezeichnete juristische Werke (u. a. verfasste er die Thronrede für Franz
Joseph anlässlich der Eröffnung des Reichsrats 1861).554 Der bereits erwähnte Ge-
550 ÖSTERREICHISCHES BIOGRAPHISCHES LEXIKON 1815–1950, Band 1 (Wien 1957), S.
127.
551 Eingehend in seinen Memoiren (publiziert 1940) beschrieben, dessen Titel „Vom Abend zum
Morgen. Aus dem alten Österreich ins neue Deutschland“ Bände spricht.
552 HANSLICK, Aus meinem Leben, S. 149.
553 WOLFGANG MANTL, Liberalismus und Antiliberalismus in Österreich. Eine Spurensuche.
In: Liberalismus und Antiliberalismus. Interpretationen und Perspektiven, hg. von Emil Brix
und Wolfgang Mantl (Wien/Köln/Graz 1996), S. 30 f.
554 HANS von PERTHALER, Hans von Perthaler’s auserlesene Schriften, hg. vom Ambros Mayr,
Band 1: Biographie, lyrische Dichtungen, schöngeistige Prosa aus dem Briefwechsel (Wien 1883);
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Josephinische Mandarine
- Subtitle
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Author
- Waltraud Heindl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2013
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 336
- Keywords
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277