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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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VII. Josephinismus und Moderne um 1900 266 Winklers, der die Quintessenz seines Beamtendaseins seinem Minister gegenüber auf den Punkt brachte: „Ja, Exzellenz, es scheint – als Beamter, da hat man nur die Wahl, Anarchist oder Trottel“!563 Der „Nussdorfer Voltaire“, Hofrat Winkler – sie spiegeln die Geisteswelt von Beamten wider, die es nachweislich auch gab! Im Ei- senbahnministerium arbeitete gar ein Beamter, Dr. Ludwig Ritter von Janikowski, der eine „revolutionäre Jugend“ in Krakau hinter sich hatte und in Wien unge- wöhnliche Freundschaften schloss (von ihm wird im Anschluss die Rede sein). Dass es allerdings in der Praxis nicht immer einfach war, aktiver Sozialdemo- krat und Beamter zu sein, davon legt Karl Renner (1870–1950) Zeugnis ab. Es war dazumal – 1896 – nicht üblich, dass ein „Student mit radikaler Vergangenheit“, bekennender Sozialdemokrat, der noch dazu im „Konkubinat“ lebte, Parlaments- bibliothekar wurde. Erst als er geheiratet und das Doktorat abgelegt hatte, wurde er, wie bereits besprochen,564 definitiv gestellt. Seine frühen Schriften publizierte er unter den Pseudonymen „Rudolf Springer“ oder „Synopticus“.565 In diesem Zusammenhang sei die Frage erlaubt, ob die Nähe so mancher Be- amter zum Sozialismus nicht eine logische Konsequenz josephinischer Ideologie und Politik bedeutete? Könnten sozialistische, jedenfalls soziale und etatistische Prinzipien, wie sie die Sozialdemokratie vertrat, von den Staatsdienern nicht in der konsequenten Linie des Josephinismus gesehen worden sein? Der absolute Vorrang der Grundsätze der obersten Staatsgewalt und die Definition vom Staat als Wohlfahrtsstaat waren josephinische Prinzipien, in denen die Beamten erzogen worden waren. War es verwunderlich, dass diese Ideologie Anklang bei Beamten fand, wie Friedländer andeutet? Neben den korrekten, kreativen Josephinern und neben den „Freigeistern“, Künstlern und „rötlich angehauchten“ Bürokraten gab es selbstverständlich die konservativen, im eigenen „Mikrokosmos“ eingeschlossenen Beamten, die ängst- lich dem von Amts wegen vorgeschriebenen josephinischen Ethos im Sinne von Gehorsam und braver Pflichterfüllung huldigten. In einem josephinischen Prinzip waren sich sowohl die ungewöhnlichen Eli- tebeamten als auch ihre angepassten Kollegen einig: Sie zeigten (mit wenigen Ausnahmen) Staatstreue und Ergebenheit gegenüber ihrem Beamtenberuf. Dieses Ethos hielt den Apparat zusammen und erzeugte einen starken „Esprit de Corps“, 563 ARTHUR SCHNITZLER, Professor Bernhardi (1912); siehe HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 13 f. 564 Siehe Kapitel „Parteipolitische Konfliktszenen“. 565 RENNER, An der Wende zweier Zeiten, S. 291–297.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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