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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 282 bildeten bezüglich der „Nationalitätenfrage“ eine Ausnahme. Sie wussten um ihr elitäres Privileg anational zu denken, das ihrem Selbstbewusstsein und ihrem Ruf zugutekam. Sie waren im Eigentlichen das Ergebnis einer besonderen etatistischen Kultur, die in Österreich durch Traditionen prägend wirkte. Institutionen und Mentalitäten besitzen bekanntlich ein großes Beharrungs- vermögen. Sie ändern sich sehr langsam. Doch, wie bereits eingangs mit Norbert Elias’ Befund angedeutet, die Personen in den Institutionen ändern sich. Das gilt auch für die österreichischen Bürokraten. Auch bei ihnen ist im sozialen Gefüge des Beamtenapparates ein entscheidender Wandel festzustellen. Um 1900 war eine neue Generation herangewachsen, die deutlich auf eine Än- derung des bürokratischen Systems sowie auf die Verbesserung ihrer Rechte poch- te.614 Die überkommene Bürokratie mag den neuen Kollegen, die wie Janikowski auf Moderne und Veränderung eingestellt waren, als skurriles Relikt einer vormo- dernen Zeit erschienen sein. Doch das wichtigste Element, dass die Institution nach wie vor Garant der Rechtsstaatlichkeit zu sein und wichtige Aufgaben der Modernisierung zu bewältigen habe, wurde nach wie vor nicht infrage gestellt. Die entscheidende neue Entwicklung scheint mir im Verhältnis der Beamten- schaft zur Politik zu liegen: Waren die Beamten bei Ausbruch der Revolution von 1848 im absolutistischen Staat noch – mehrheitlich – „gehorsame Rebellen“615 ge- wesen, so machten sie im konstitutionellen Staat handfeste Politik. Es sei daran erinnert, dass in der Zeit zwischen 1861 und 1916 von 157 Ministern 70, also fast die Hälfte, aus dem Beamtentum kamen. Von 26 Ministerpräsidenten wurden 17, etwa zwei Drittel, aus der Bürokratie rekrutiert.616 Eines der wichtigsten Mi- nisterien der Monarchie, das Finanzministerium, wurde zwischen 1848 und 1914 von 26 Ministern geleitet. Alle 26 kamen aus dem Beamtentum, rechnet man die (wenigen) hohen Bankchefs, die zwei bis drei Diplomaten und die Universitäts- professoren (viele hatten eine Doppelkarriere eingeschlagen) mit ein.617 Separieren wir sie, so bleiben immer noch gute vier Fünftel der Finanzminister, die aus dem 614 Siehe Kapitel „Generationenkonflikte“. 615 Siehe Kapitel „BÜROKRATIE UND BEAMTE – EINE SPURENSUCHE“. 616 ALO�S FREIHERR von CZEDIK, Zur Geschichte der k. k. Ministerien 1861–1916, Band, 1. Zeitabschnitt: 1861–1893 (Teschen 1917), S. 12 f.; SCHIMETSCHEK, Der österreichische Be- amte, S. 185; URBANITSCH, Vom „Fürstendiener“ zum „politischen Beamten“, S. 154, gibt vier Fünftel aller Minister an, die aus der Hochbürokratie kamen, er beruft sich auf CZEDIK, Geschichte der k. k. österreichischen Ministerien, Band 4: Zeitabschnitt 1908 –1916 (Teschen/ Wien/Leipzig 1922) , S. XV f. 617 Gezählt nach den Biografien der österreichischen Finanzminister von WOLFGANG FRITZ, Für Kaiser und Republik. Österreichs Finanzminister seit 1848 (Wien 2003).
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Josephinische Mandarine
Subtitle
Bürokratie und Beamte in Österreich
Author
Waltraud Heindl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2013
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Size
15.5 x 23.5 cm
Pages
336
Keywords
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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