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Die Kunst, den Klimawandel zu regieren | 119
Analysekategorie ermöglicht Gouvernementalität nämlich die Verschiebung des Un-
tersuchungsfokus von staatlichen Akteuren, Institutionen und Prozessen auf all jene
Institutionen, Prozeduren, Reflexionen, Kalkulationen und Taktiken, die die Aus-
übung von Regierung im weiteren Sinne ermöglichen (Foucault und Sennelart 2004:
162). Bevor ich aber genauer auf Gouvernementalität als Untersuchungsperspektive
eingehe und schließlich am Ende dieses Kapitels meinen eigenen konzeptionellen
Zugang ausführe, expliziere ich zunächst, was in diesem Zusammenhang unter „Re-
gierung“ zu verstehen ist, um dann auf die besondere Bedeutung der „Macht-Wissen-
Komplexe“ in den Gouvernementalitätsstudien einzugehen.
Regierung
Regieren [heißt,] das mögliche Handlungsfeld ande-
rer zu strukturieren.
(Foucault 2005c: 286f.)
Das Konzept der Gouvernementalität ist für Foucault untrennbar mit einer spezifi-
schen Vorstellung von Regierung verbunden, die er in seiner vierten Vorlesung zu
„Sicherheit, Territorium, Bevölkerung“ am 1. Februar 1978 (Foucault 2012: 64f.)
beschreibt:
„Zweitens verstehe ich unter ‚Gouvernementalität‘ die Tendenz oder die Kraftlinie, die im ge-
samten Abendland unablässig und seit sehr langer Zeit zur Vorrangstellung dieses Machttypus,
den man als ‚Regierung‘ bezeichnen kann, gegenüber allen anderen – Souveränität, Disziplin
– geführt und die Entwicklung einer ganzen Reihe spezifischer Regierungsapparate einerseits
und einer ganzen Reihe von Wissensformen andererseits zur Folge hatte.“
Der Begriff der Regierung bzw. des Regierens entwickelte sich im Folgenden zu ei-
ner zentralen Kategorie von Foucaults Spätwerk. Unter dem Begriff „Regierung“
versteht Foucault (1996a: 118) ziemlich umfassend „[…] die Gesamtheit der Institu-
tionen und Praktiken, mittels deren man die Menschen lenkt, von der Verwaltung bis
zur Erziehung“. Potentiell fällt somit jeder Gesellschaftsbereich und jede Tätigkeit in
die Zuständigkeit von Regierung, sei es im familiären, schulischen, militärischen o-
der verwaltungspolitischen Kontext (Lemke 2001). Regierung ist daher bei Foucault
nicht gleichbedeutend mit staatlicher Regierungsmacht, sondern bezieht sich viel-
mehr allgemein auf die Selbst- bzw. Fremdführung von Menschen im Sinne ihrer
Lenkung, Kontrolle und Leitung. Spezifische Regierungsweisen können somit nicht
nur in Gesetzen und Institutionen, sondern in einer prinzipiell unbegrenzten Zahl wei-
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Title
- Kommunen im Klimawandel
- Subtitle
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Author
- Nanja Nagorny-Koring
- Publisher
- transcript Verlag
- Location
- Bielefeld
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Size
- 15.4 x 23.0 cm
- Pages
- 324
- Categories
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Table of contents
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315