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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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hen – vornehmsten Aufgabe des Historikers, der, will er nicht zum Richter werden, niemals die Maßstäbe der eigenen Zeit auf die Vergangenheit über- tragen darf.43 Es wäre nicht statthaft, von den Protagonisten der dreißiger Jahre ein Wertbewusstsein zu verlangen, das erst später entstand.44 Skinner hielt es für eine Form von Borniertheit, wenn ein Forscher versucht, den Sinn eines Werkes aus seinem eigenen Blickwinkel zu bestimmen.45 Das Corpus ist somit weit mehr als lediglich eine Datenbasis. Seine Bil- dung lässt sich von der Fragestellung nicht trennen, ja konkretisiert diese laufend; sie setzt eine Vorkenntnis des Inhalts der Texte voraus, beruht auf Erwartungshaltungen, die dem historischen Bewusstsein der Gesellschaft Rechnung zu tragen versuchen, kurz: auf einem Vorurteil im Sinn Gada- mers.46 Dieses kann der Erkenntnis zwar auch hinderlich sein, wie insbeson- dere Skinner zu bedenken gab47, ist letztlich aber der eigentlich konstitutive Akt der Forschung.48 Nicht zufällig vermieden es sowohl Skinner als auch Pocock, eine systematische Methode für das Studium der Begriffe vorzuge- ben, die ihre Diskurse konstituierten.49 Auch im gegenständlichen Fall wird zwischenmenschliche Kommunikation als kreativer Prozess verstanden, der keinem festen Regelwerk unterliegen kann.50 Corpusbildung und -analyse sowie Analyse des Kontexts erfolgen daher parallel; Diskurs und Einzelaussage werden als unentwirrbar ineinander verschlungen betrachtet.51 Einer der leitenden Gesichtspunkte ist die Unter- scheidung zwischen dem analytical and constructed context und dem natural and reconstructed context: Nur Letzterer kann als Bezugspunkt gelten, weil er für eine hermeneutische Sichtweise von Text und Kontext geeignet ist, während Ersterer mit zu Klischees erstarrten Kategorien operiert.52 Diskursanalyse im Sinn der Cambridge School ist eine „weiche“ Methode, die auf der permanenten Überprüfung der Richtigkeit der Wahl des einzel- nen Textes innerhalb des Ganzen beruht.53 Mit Blick auf Skinner und Pocock ist heute allerdings umstritten, inwieweit sie die von ihnen entwickelte Me- 43 So etwa in der jüngsten aus einseitig sozialdemokratischer Perspektive erfolgenden Verur- teilung des Schulsystems des Ständestaats; Gober, Schule, passim. 44 Kindermann, Österreich, 103 und 351. 45 sKinner, Bedeutung, 81. 46 Gadamer, Hermeneutik 1, 276–290; vgl. harlan, Der Stand, 189. 47 sKinner, Bedeutung, 66; vgl. harlan, Der Stand, 165–167; Palonen, Entzauberung, 71. 48 busse/teubert, Diskurs, 15 f.; landwehr, Historische Diskursanalyse, 102 f. und 110; M. richter, Zur Rekonstruktion, 166. 49 M. richter, Zur Rekonstruktion, 161. 50 hellmuth/von ehrenstein, Intellectual History, 169 f. 51 landwehr, Geschichte des Sagbaren, 108–111 und 130. 52 hellmuth/von ehrenstein, Intellectual History, 167. 53 busse/teubert, Diskurs, 18. 2. ZUR METHODE50
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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