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präsent, allerdings nicht im Sinn von etwas Gewachsenem, sondern als Rah-
men für Organisationsstrukturen, „von oben“ gleichsam. Eine echte Erneue-
rung des kirchlichen Lebens brachte der Dachverband nicht.147
Am Tag der Promulgierung der ständischen Verfassung wurde auch ein
Konkordat ratifiziert.148 Dies ist nach aktuellem Forschungsstand allerdings
eher als Äußerlichkeit zu betrachten, hatte der Text doch insgesamt mit dem
Ständestaat weniger Berührungspunkte, als die Zeitgenossen glauben ma-
chen wollten: Er war in den Grundzügen schon vor 1932 ausverhandelt wor-
den.149
In Kreisen der Beamten, der Bauern und der in den freien Berufen und
im Kleingewerbe Tätigen fand auch außerhalb der Parteien ein reges po-
litisches Engagement in katholischem Geist statt.150 Soweit im Folgenden
von politischem Katholizismus gesprochen wird, ist damit die Haltung jener
gemeint, die auf die Herausforderungen der Französischen Revolution re-
agieren zu müssen glaubten, auch jener, die grundsätzlich jedes politische
Engagement in der katholischen Lehre verwurzelt sehen wollten.151 Es gab
freilich auch in den Reihen der Katholiken Stimmen, die Vorbehalte gegen
die in ihren Augen zu konservativen Spielarten äußerten.152 Alles in allem
zeigte der Katholizismus in sich wenig Geschlossenheit.153 Und die städti-
sche Gesellschaft war ohnehin weitgehend säkularisiert.154
Als einflussreicher Vordenker ist Johannes Hollnsteiner zu nennen;
Friedrich Heer nannte ihn den „Chefideologen des österreichischen Bundes-
kanzlers Kurt von Schuschnigg“.155 1920 war er in Wien der CV-Verbindung
Norica beigetreten.156 CV-Verbindungen stellten das personelle Reservoir
des politischen Katholizismus dar.157 Ihre Mitglieder waren eng verflochten
mann, Katholische Aktion, 605–619, 615; schmit, „Im Namen“, 150 f.; tálos, Handbuch, 448
(E. hanisch).
147 liebmann, Katholische Aktion, 603 f.
148 ebner, Politische Katholizismen, 166; liebmann, Die Kirche, 118.
149 schima, Überschätzt, passim.
150 ebner, Politische Katholizismen, 160 f.; falle, Wurzeln, 34–36; hanisch, Der Politische
Katholizismus, 81; iber, Vom Syllabus, 39
151 diamant, Die österreichischen Katholiken, 12–14; ebner, Politische Katholizismen, 162.
152 K. bauer, Elementarereignis, 168, 185 f., 194 f. und 198; ebner, Politische Katholizismen,
163.
153 stimmer, Eliten, 746 und 759.
154 hanisch, Der Politische Katholizismus, 80 f.
155 buchmayr, Der Priester, 112 und 118; vgl. auch 101 f.; G. hartmann, Eliten, 231.
156 buchmayr, Der Priester, 29; fritZ, Farben tragen, 202; 1906 war Clemens Holzmeister in
die Verbindung eingetreten; Posch, Clemens Holzmeister, 25–29.
157 Gehler, Hochschule, 125; G. hartmann, Im Gestern, 320; G. hartmann, Der CV, 115 f.;
Krause, CV, 110; Kriechbaumer, Erzählungen, 57 f.; PoPP, Der CV, 164 f.; tálos, Handbuch,
3.1 ÖSTERREICH 1918–1938 73
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580