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deren Ziel das Gemeinwohl384 war, forderte, jede wirtschaftliche Tätigkeit
solle auf Solidarität beruhen. Im Sinne der „Sozialpolitik“ wurde die beste-
hende kapitalistische Eigentumsordnung nicht angetastet und die Markt-
wirtschaft nicht prinzipiell ausgeschlossen, aber die Möglichkeit einer Kor-
rektur derselben durch die sittlichen Forderungen der Gerechtigkeit und
Liebe vorgesehen.385 Die parlamentarische Demokratie fand grundsätzliche
Zustimmung.386 Peschs Verständnis der Gesellschaft war das eines Leis-
tungsorganismus, der durch solidarische Verbundenheit der Glieder nach
dem Prinzip der Freiwilligkeit gedeihe.387
Die Lehre ging von der Natur des Menschen aus, der sowohl Individuum
als auch soziales Wesen sei.388 Die Solidarität galt als Ausdruck der wesens-
mäßigen Verbundenheit der Menschen. Es war jene beim Personsein und
bei der wesensmäßigen Gleichwertigkeit aller aufgrund der Gottebenbild-
lichkeit ansetzende „organische“ Solidarität, die Emile Durkheim von der
„mechanischen“ unterschied. Hervorgehoben wurde aber auch die natürliche
Begrenzung der menschlichen Individualität, verbunden mit der der zutei-
lenden Gerechtigkeit (Kap. 5.4) geschuldeten Einsicht, die Menschen wären
zwar nicht gleichartig, aber gleichwertig.389
Im Zentrum von Peschs Denken stand der Gedanke des Dienens, für ihn
der vornehmste, den es in einer Gemeinschaft geben könne. Ziel sei die ge-
ordnete Einfügung aller Bestrebungen in einen gemeinsamen moralischen
Zweck, nicht eine nützliche Vereinbarung, letztendlich die Suche nach Aus-
gleich zwischen dem Einzelnen und der subsidiär ihm dienenden Gesell-
schaft.390 Franz Zehentbauer, der 1925 im NR Peschs Lehrbuch der Natio-
nalökonomie wohlwollend rezensierte, zitierte als dessen Quintessenz den
Satz „Was moralisch falsch ist, kann nicht politisch richtig sein“.391 Kurt
Schuschnigg studierte dieses Werk eingehend in der Zeit seiner Sachsenhau-
sener Haft.392 1926 traf es Johannes Messner, einen Nachruf auf Pesch zu
verfassen: Er bescheinigte ihm eine gelungene Verbindung von Wissenschaft
und Leben und von Sozialökonomie und Sozialethik und teilte die Forde-
384 hättich, Wirtschaftsordnung, 19–22.
385 beyer, Ständeideologien, 119 f.; meyer, Stand, 219 f.; roos, Entstehung, 109.
386 bohn, Ständestaatskonzepte, 51; mayer-tasch, Korporativismus, 60.
387 A. rauscher, Personalität, 25.
388 beyer, Ständeideologien, 124–127; bohn, Ständestaatskonzepte, 49 f.; mayer-tasch, Korpo-
rativismus, 50–53; A. rauscher, Personalität, 14 f.
389 nothelle-wildfeuer, Die Sozialprinzipien, 151–154; A. rauscher, Personalität, 11.
390 diamant, Katholiken, 146–151; A. rauscher, Die soziale Natur, 28 und 35 f.; senft, Im Vor-
feld, 76 f.; sieGfried, Universalismus, 136–141.
391 NR 17. 1. 1925 (F. Zehentbauer).
392 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 325 und 359.
3.3 DIE „GESELLSCHAFTSREFORM“ AUF CHRISTLICH-SOZIALER GRUNDLAGE 95
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book „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit"
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580