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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Der faschistische Korporativismus Es ist hier nicht der Ort, einen umfassenden Vergleich zwischen dem italie- nischen Faschismus und dem österreichischen Ständestaat vorzunehmen.508 Das Interesse am Thema „Stand“ legt es aber nahe, das italienische Korpora- tivsystem näher zu beleuchten. Angelpunkt der Überlegungen ist, dass der Begriff „Korporation“ in Italien auf juristische Aspekte reduziert wurde, so dass sich ihrem Wesen nach als Instrumente sozialer Integration zu verste- hende Gebilde zu solchen des zentralistisch-autoritären Staates entwickel- ten.509 Hinter den einschlägigen Gesetzestexten verbarg sich die Absicht des Regimes, einen neuen Typ von Staatsbürger zu schaffen.510 Für Österreich von Belang ist die Umschreibung des Unterschieds zwischen Stand und Kor- poration durch Johannes Messner: Der Stand gehe von der Gesellschaft aus, sei etwas „von unten“ Gewachsenes, die Korporation sei ein von staatlicher Seite, „von oben“, begründetes künstliches Gebilde.511 Aus diesem Grund, so Franz Rehrl, sei der österreichische Ständestaat „diametral dem faschisti- schen Staat entgegengesetzt“.512 Die Anfänge des modernen Korporativismus reichen ins 19. Jahrhundert zurück. Es waren Reaktionen auf diverse von der Französischen Revolution entwickelte Formen zentraler staatlicher Macht. Als Gegengewicht gegen den Sozialismus entwickelte sich ein spezifisch katholischer Korporativis- mus, dem zufolge die Vollmachten der Regierung darauf beschränkt sein sollten, die Autonomie gesellschaftlicher Gruppen sicherzustellen.513 Die faschistische Bewegung in Italien ist nur in geringem Ausmaß auf die Ständetheorie des 19. Jahrhunderts zurückzuführen, und auch zum ka- tholischen Korporativismus bestanden allenfalls äußerliche Parallelen:514 Es handelte sich in erster Linie um eine Aktionsgemeinschaft zur Gewinnung und Bewahrung von Macht, die ein militanter Antiparlamentarismus kenn- zeichnete.515 Zwar wurden die berufsständischen Ideen in Italien anfänglich innerhalb der katholisch-sozialen Bewegung und in Kreisen der Linken lan- ciert, aber am Ende erwies sich die philosophische Basis des Vitalismus als 508 Sehr voreingenommen diesbezüglich: mittelmeier, Austrofaschismus, 127 f. 509 osswald, Korporation; J. reiter, Entstehung, 136 f.; tálos, Herrschaftssystem (2013), 578. 510 J. reiter, Entstehung, 16 f. 511 bohn, Ständestaatskonzepte, 22; novotny, Der berufsständische Gedanke, 216; SZ 4. 12. 1932 (J. messner); vgl. wiPPermann, Europäischer Faschismus, 89; wiPPermann, Faschis- mus, 74 f. 512 CS 4. 2. 1934 (F. rehrl); zu den Unterschieden vgl. reichhold, Geschichte, 496 f. 513 Payne, Geschichte, 56 f.; woller, Rom, 61. 514 scholZ, Italienischer Faschismus, 79. 515 mayer-tasch, Korporativismus, 92. 3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 107
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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