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würde572, umso mehr, als Frankreich 1925 die Garantie der Unabhängigkeit
Österreichs Italien allein zuschob.573
In Österreich waren damals eher feindselige Töne gegen Italien und Mus-
solini zu vernehmen, im Nationalrat574 und bei den Behörden verschiedener
Ebenen, die in den faschistischen Mittelsmännern eine Gefahr für ihr Land
sahen. Ein Verbot der Fasci wurde von der österreichischen Außenpolitik
allerdings nicht erwogen. Wien hatte diesbezüglich gegenüber der Kärntner
Landesregierung, die sich dafür aussprach, einen gewissen Argumentations-
notstand.575
Seit Ende Oktober 1926 stand wieder Ignaz Seipel an der Spitze der Bun-
desregierung. Im Dezember kam es im Nationalrat zu tumultartigen Szenen,
als ein Abgeordneter von Übergriffen der italienischen Konsularbehörden in
Kärnten berichtete. Mehrere Volksvertreter brachten ihre Empörung zum
Ausdruck, einer nannte Mussolini einen „Falloten“. Als der Präsident wegen
der Wahl dieses und ähnlicher Worte Ordnungsrufe erteilte, wurde er nicht
gehört. Ein Abgeordneter fragte ihn, ob er den Faschismus schützen wolle,
während ein anderer über Ortsgruppen der Schwarzhemden in Wien, Graz,
Innsbruck und Villach berichtete, welche die Presse überwachten und monat-
liche Berichte nach Rom schickten: Dies dürfe nicht geduldet werden!576
Auf der diplomatischen Ebene standen indes komplexere Fragen im Vor-
dergrund: Im Februar 1927 berichtete der österreichische Gesandte in Rom,
Lothar Egger, dem Bundeskanzler, Mussolini habe in einem Interview mit
der Neuen Freien Presse die Möglichkeit angedeutet, den Widerstand gegen
das Anschlussverbot unter bestimmten Umständen aufzugeben; dieses Ge-
rücht gehe auch in diplomatischen Kreisen um.577 Im Mai bekannte sich Sei-
pel, von Leopold Kunschak sekundiert, im Nationalrat zur Ausgestaltung
der wirtschaftlichen Beziehungen zu „unseren Brüdern im Deutschen Reich“
aufgrund der geistig-kulturellen Gemeinsamkeit.578
Vor dem Hintergrund eines eher unterkühlten Verhältnisses zu Deutsch-
land bemühte sich Mussolini indes bald wieder um eine Verbesserung der
Beziehungen zu Österreich. Dies erfolgte auf zwei Wegen: durch die Zusam-
menarbeit mit den österreichischen Regierungen und durch die Unterstüt-
zung der Heimwehr.579
572 di nolfo, Rapporti, 43.
573 di nolfo, Rapporti, 50.
574 JedlicKa, Österreich, 49; w. rauscher, Der Aufstieg, 368.
575 scholZ, Italienischer Faschismus, 378–382.
576 ADÖ 6/851.
577 ADÖ 6/859.
578 ADÖ 6/871.
579 di nolfo, Rapporti, 54–59.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 113
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580