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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Nach den Wahlen in Deutschland am 5. März 1933 begann Hitler eine Art kalten Krieg gegen Österreich mit dem Ziel einer nationalsozialistischen Durchdringung des Landes.676 Zugleich verstärkte Mussolini seine Bemü- hungen um Österreich. Bundeskanzler Dollfuß lehnte sich nach wie vor an ihn an, weil für ihn die Ausschaltung der Sozialdemokratie Vorrang hatte.677 Damals wurden auch die Kontakte zwischen Eugenio Morreale und Star- hemberg enger, während gegen den Fürsten gerichtete Strömungen in der Heimwehr Gelder aus Deutschland erhielten. Mussolinis Mittelsmann war aber auch mit den österreichischen Nationalsozialisten im Gespräch – die ihn ihrerseits wachsam beobachteten. In Hitlers Bevollmächtigtem Theo Ha- bicht678 sah er – gleich Starhemberg679 – einen Politiker, der die Situation dieses Landes aus einer preußischen Perspektive beurteile, also völlig falsch. Eines der zentralen Anliegen Morreales war es, Starhemberg und Dollfuß auf eine Linie zu bringen.680 Ab 1933 verloren die Fasci all’estero an Bedeutung; die Propaganda zur Verbreitung des Faschismus im Ausland übernahmen sogenannte Comitati d’azione per l’Universalità di Roma (CAUR), die sich zunehmend aggressiver Methoden bedienten. Im ersten Tätigkeitsbericht für Mussolini vom Oktober 1933 konnte der CAUR-Präsident auf die Gründung zahlreicher Sektionen und auf Besuche hochrangiger Vertreter der europäischen Rechten verwei- sen; auch Starhemberg sprach im CAUR-Hauptquartier in Rom vor.681 Ein Diplomat, der vom italienischen Faschismus Gefahren für Österreich ausgehen sah, war der französische Gesandte in Wien, Gabriel Puaux. Im April 1936, anlässlich der Unterzeichnung eines österreichisch-französi- schen Kulturabkommens, würdigte er „die Gemeinsamkeit französischer und österreichischer Geisteshaltung“. Er sah sie vor allem in der „Achtung vor der Einzigartigkeit der menschlichen Persönlichkeit“, die eng mit der Neigung des Österreichers zu Kompromissen und seiner Ablehnung des Zwangs zu gewaltsamer Vereinheitlichung zusammenhänge. Die Liebe bei- der Länder zur Kunst sei Ausdruck der Überwindung der „Neigungen und Leidenschaften des primitiven Menschen“. Das gemeinsame Anliegen der Errichtung einer christlichen Gesellschaftsordnung komme im Werk von Frederic Le Play in ähnlicher Weise zum Ausdruck wie bei Vogelsang. Er 676 bertolaso, Die erste Runde, 55–64; Kindermann, Österreich, 44–51. 677 britZ, Die Rolle, 41; colotti, Fascismo, 334 f.; orlando, Rolle, 24–26; Potočnik, Bewusst- sein, 187–192; schmölZer, Beziehungen, 115 f.; schweitZer, Volkstumsideologie, 15. 678 Vgl. Kindermann, Österreich, 40. 679 starhemberG, Memoiren, 113. 680 P. berGer, Im Schatten, 534; niGlia, Mussolini, 67–71. 681 bauerKämPer, Der Faschismus, 172–175; scholZ, Italienischer Faschismus, 287 und 304– 346. 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE RAHMEN124
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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