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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Wirtschaftspolitik und gegen den Klassenkampf hieß er gut, so wie er dessen Entstehung als Reaktion auf eine Reihe von im Gefolge von 1789 entstandenen Missständen nachvollziehen konnte. Ausführlich beschrieb er dessen Werte, die größtenteils auch die seinen waren: Familie, Kirche, ständische Gliede- rung, Aufopferung, Bereitwilligkeit, unermüdliche Tätigkeit, Vorrang der Pflichten vor den Rechten, Autorität, Disziplin, Hierarchie. Er gab aber zu be- denken, dass ein korporatives Wirtschaftssystem nicht notwendiger Weise in einen faschistischen Staat münden müsse: Die Idee des Ständestaates knüpfe an das katholische Mittelalter an, in welchem keineswegs alle organisierten wirtschaftlichen und geistigen Kräfte dem Staat eingegliedert gewesen seien und dem die Vorstellung des Nationalen fremd gewesen sei. Dass im gegenwär- tigen Italien auch genuin katholisches Gedankengut zum Tragen komme, be- grüßte er, aber er wusste, dass dies teilweise „ungewollt“ so sei, und sah daher Anlass, ausdrücklich zu fordern, die faschistischen Strukturen sollten Raum für geistig-religiöses Apostolat bieten.849 Entsprechend wichtig war es ihm, 1927 anlässlich des Erscheinens der Carta del lavoro die Haltung der Katholi- ken zu dieser Form der strengen staatlichen Regelung der Wirtschaft kritisch zu beleuchten.850 Drei Jahre später hatte er sich mit dem zunächst skeptisch beobachteten System versöhnt. Obwohl die Korporationen 1930 noch gar nicht formell bestanden, würdigte er sie als Garanten des sozialen Friedens, die sich Hauptgedanken der katholischen Soziallehre zueigen gemacht hätten. Es be- stünden ein gesunder Idealismus und echte „Geistgläubigkeit“; das im Ausland kolportierte Bild von der faschistischen Diktatur sei falsch.851 Eine nüchterne Beurteilung der Lage kam 1929, anlässlich des siebten Jahrestags des Marsches auf Rom, von Leopold Weismann, der im NR die Grundstruktur des Faschismus in Wirtschaft und Gesellschaft erläuterte: Diese zu kennen, so die Schriftleitung in einer Vorbemerkung, sei auch für die Gegner wichtig. Der Verfasser selbst bezeichnete als Kernprobleme den umfassenden Einfluss des Staates auf die Wirtschaft und die massiven Ein- griffe in die Privatsphäre der Bürger.852 Er hielt es für verfehlt, das Ideal der Gleichheit für wichtiger zu halten als jenes der Freiheit; auch die faschisti- sche Aufforderung, viele Kinder zu zeugen, billigte er nicht.853 1934 erschienen auch im CS faschismuskritische Beiträge. Rudolf Stanka fehlte bei allem Verständnis für die Ursachen des Faschismus (die bekann- 849 NR 10. 7. 1926 (G. B. valente). 850 NR 7. 5. 1927 (G. B. valente). 851 NR 16. 8. 1930 (G. B. valente). 852 Der Organisationsgrad der Bevölkerung war in der Tat hoch; bauerKämPer, Der Faschis- mus, 55; schieder, Der italienische Faschismus, 66. 853 NR 26. 10. 1929 (L. weismann). 3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 143
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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