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ment zu gehören.859 Dem Staat, so seine Kernbotschaft, komme keinerlei Re-
alität zu – so, wie es keine Behörden, sondern nur Beamte, keine Gerichte,
sondern nur Richter, kein -land oder -reich, sondern nur die jeweiligen Bür-
ger desselben gebe: Daher seien Begriffe wie „Staatsinteresse“ oder „Staats-
wohl“ abstrakter Natur. Der Staat habe einzig als Ordnungsmacht eine Be-
rechtigung, die aber nur Mittel, nicht Zweck sei. Der „absolute und totale
Staat“ sei „nichts als eine Entartung des reinen Staatsgedankens“.860 Deut-
lich hatte Stourzh erkannt, dass Mussolinis Staat kein echter Ständestaat
war, „weil im wirklichen Korporationsstaat eben die Staatsmacht, vom stän-
disch geordneten Volk ausgehend, den Korporationen zukommt und nicht ei-
ner Führerkaste ohne Verantwortung und ohne Begrenzung der Amtsdauer.
Ein wahrer Ständestaat kann niemals ein Diktaturstaat sein und ein Dikta-
turstaat ist kein Ständestaat“.861 Nicht minder eindeutig legte er Mussolinis
unlautere Beweggründe zur Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche
offen, etwa in Gestalt der Kritik des Gedankenguts von Julius Evola.862 Diese
Einschätzung des Korporativsystems traf sich mit jener von Ernst Karl Win-
ter, der es eine „ex auctoritate“ erfolgte „Konstruktion“ nannte, welche die
organische Entstehung eines echten Ständestaates aus den Interessen der
Wirtschaftsträger verhindere und die unabdingbare „Interessensolidarität“
nicht entstehen lasse.863
1937, aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums der Carta del Lavoro, griff
die MSchKP das Thema Faschismus auf. Sie würdigte das Dokument als
„Magna Charta“ der faschistischen Sozialpolitik, hielt sich mit eigenen Stel-
lungnahmen aber zurück, um stattdessen die von der italienischen Presse
betonten Vorzüge zu referieren, insbesondere den Reichtum an ethischen
und sozialen Grundsätzen, der zumal im Vergleich mit dem Kommunisti-
schen Manifest Beifall verdiene.864 Klingen in diesem Artikel kritische Töne
nur leise an, so sind diese schon deutlicher vernehmbar, wenn es an anderer
Stelle hieß, der Staat sei „erheblich“ an der Willensbildung beteiligt und or-
ganisatorisch sei noch viel zu leisten865; außerdem bestehe auch im korpora-
tiven System die Gefahr der Verfolgung ausschließlich eigener Interessen
und einer staatsfeindlichen Haltung der Korporationen.866
859 H. stourZh, Gegen den Strom, 29.
860 H. stourZh, Gegen den Strom, 125–131.
861 H. stourZh, Gegen den Strom, 152.
862 H. stourZh, Gegen den Strom, 36, 119 und 124; zu Evolas auf die Kirche bezogenen Äuße-
rungen vgl. aZZaro, Deutsche Geschichtsdenker, 632–635; thöndl, Oswald Spengler, 51 f.
863 heinZ, E. K. Winter, 49.
864 MSchKP 2, 866.
865 MSchKP 2, 578 f.
866 MSchKP 2, 483 f.
3.5 DIE NACHBARSCHAFT DES FASCHISTISCHEN ITALIEN 145
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580