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hann Schober aber zurückgewiesen914 – obwohl auch dieser in Hinblick auf
die Verfassungsnovelle eine „Verbeugung [...] vor dem ständischen Gedan-
ken“ wünschte.915 Im November stellte er den Antrag, im Bundeskanzleramt
eine Kommission zum Studium der ständischen Verfassung bzw. für den zu
schaffenden Länder- und Ständerat einzurichten.916 Als Vorsitzenden schlug
er Ignaz Seipel vor; weitere Mitglieder sollten u. a. Othmar Spann und Lud-
wig Adamovich sein.917 Die wenig später verabschiedete Verfassungsnovelle
blieb hinsichtlich der ständischen Forderungen aber gleichwohl maßvoll.918
Zwischen 1930 und 1937 häuften sich publizistische Neuerscheinungen
über ständestaatliche Modelle; in der Österreichischen Nationalbibliothek,
der Universitätsbibliothek Wien und der Bibliothek der Kammer für Arbei-
ter und Angestellte wurden insgesamt 53 einschlägige Arbeiten erhoben. Da
die Forschung „eine dürftiger als die andere“919 einschätzt, genügt bei der
Vorstellung eine exemplarische Vorgangsweise.
1929 erschien Walter Heinrichs Abhandlung Gegen Parteienstaat – für
Ständestaat.920 1932 folgten in der SZ aus seiner Feder mehrere Beiträge zu
Fragen der Wirtschaft; „Staatsführer“, erklärte er, könnten nur Menschen
sein, die „gewisse Erziehungs- und Bewährungseinrichtungen durchlaufen“
haben.921 Im Mai 1930 folgte Odo Neustädter-Stürmers Schrift Der Stän-
destaat Österreich922, die faschistische Anklänge enthielt, aber keinen Sinn
für die sozialen Aspekte der Thematik erkennen ließ.923 Stark von Othmar
Spann beeinflusst war Franz Schweinitzhaupt 924, der sich des gesamten
begrifflichen Repertoires der zeitgenössischen Kritik an Liberalismus, Ka-
pitalismus und Sozialismus bediente.925 Gemäßigter blieb Oskar Freiherr
914 PMR VI/1, Prot. 586/1 (30. 9. 1929), 216.
915 PMR VI/1, Prot. 589/1 (14. 10. 1929), 274 und 309.
916 PMR VI/1, Prot. 599/1 (18. 11. 1929), 449.
917 PMR VI/1, Prot. 600/12 (22. 11. 1929); 466 f.
918 hasiba, Verfassungsnovelle, 134–136; mommsen, Theorie, 178; streitenberGer, Leitbild, 108
f.; tálos, Handbuch, 52 f. (O. lehner); wohnout, Verfassungstheorie, 29–39.
919 Pasteur, Kruckenkreuz, 30.
920 dassel, Gegen Parteienstaat, bes. 3–7 und 39 f.
921 SZ 28. 8. 1932; 4. 9. 1932; 11. 9. 1932 (W. heinrich); 1933 ließ er weitere Präzisierungen
folgen, darunter ein Lob des italienischen Faschismus; StL 1933, 121–125 (W. heinrich).
922 1936 trat er mit einer ähnlichen Publikation, Die berufsständische Gesetzgebung in Öster-
reich, an die Öffentlichkeit.
923 binder, Der „Christliche Ständestaat“, 209; orGler, Ständestaat, 99–102; reichhold,
Geschichte, 462; senft, Im Vorfeld, 151; wohnout, Verfassungstheorie, 21, 25 und 193;
wohnout, Regierungsdiktatur, 26–29.
924 schweinitZhauPt, Vom Parteienstaat, bes. 2–6; vgl. Kraus, „Volksvertreter“, 67.
925 Die Ablehnung galt nicht dem Sozialismus schlechthin, sondern dem revolutionären Sozi-
alismus, desgleichen dem „feige(n) Bürgertum“, das sich der Sozialdemokratie gleichsam
anbiedere; lacKner, Die Ideologie, 22.
3.6 BERUFSSTÄNDISCHE ENTWÜRFE 157
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580