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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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An die Grenzen des berufsständischen Modells führt Felix Klezl Freiherr von Norberg, nicht aus politisch-weltanschaulicher, sondern aus wirtschafts- wissenschaftlicher Sicht. Angelpunkt seiner auch für Vertreter des ganzheit- lichen Denkens überzeugenden963 Argumentation ist die den Erfordernissen der Zeit geschuldete Einsicht, dass „in den Kulturstaaten“ mittlerweile der Betrieb an die Stelle des Berufs getreten sei.964 „Beruf“ habe die persönli- che Tätigkeit im Auge, „Betrieb“ die sachlichen Erfordernisse.965 Beruf sei eine eine „soziale“, Betrieb eine „technische“ Kategorie; das Referat der in der volkswirtschaftlichen Literatur gängigen Sichtweisen nahm er als Gele- genheit wahr, seine eigene Präferenz für Lösungen zu artikulieren, die das Hauptgewicht auf das Zusammenwirken personaler und sachlicher Fakto- ren legten.966 Die Untersuchung der Begriffe im statistischen Schrifttum ließ ihn die Hinwendung zu einem vornehmlich wirtschaftlich definierten Be- rufsbegriff seit 1890 feststellen.967 Dass sich die Arbeitsabläufe im industriel- len Zeitalter völlig veränderten, reichte für Klezl nicht aus, sich der mitunter erkennbaren Tendenz anzuschließen, die Betriebsorganisation als bolsche- wistisches, die Berufsorganisation als bürgerliches Prinzip zu betrachten. Er war einer jener vielen Zeitgenossen, für die der Marxismus denselben Grundprinzipien folgte wie der Kapitalismus (Kap. 4.1). Die Studie endet mit einem vorbehaltlosen Bekenntnis zur Arbeit: „Das Paradies der Mensch- heit hat erst in dem Augenblick begonnen, in dem sie zur ewigen Arbeit ver- dammt wurde“968, also völlig anders als die auch in der Ausbildung der Theo- logen wichtige Abhandlung von Josef Biederlack SJ von 1895, für den Arbeit Mühsal bedeutete, ja eigentlich nur die Folge der Sünde der Stammeltern war.969 Die Rezeption ständetheoretischen Denkens aus den Nachbarländern in Österreich, insbesondere aus Deutschland970, kann an dieser Stelle keine systematische Berücksichtigung finden. Von Interesse ist aber, dass ein- schlägige Ansätze in der Ukraine zur Kenntnis genommen wurden. Im StL wurde 1934 eine Arbeit von Wjaczeslaw Lipinsky vorgestellt. Der 1918–1931 als Gesandter seines Landes in Wien tätige Verfasser vertrat eine „klasso- kratische“, den Verhältnissen der Ukraine angepasste berufsständische Idee, die Staat und Gesellschaft in untrennbarer organischer Verbindung 963 StL 1935, 524–526 (W. heinrich). 964 KleZl, Beruf, Vorwort, nicht pag. 965 KleZl, Beruf, 26–42. 966 KleZl, Beruf, 1–12. 967 KleZl, Beruf, 13–25. 968 KleZl, Beruf, 98. 969 Vgl. Kustatscher, Haus und Familie, 170. 970 Vgl. bohn, Ständestaatskonzepte, passim. 3.6 BERUFSSTÄNDISCHE ENTWÜRFE 161
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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