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ständischen Neuordnung Österreichs als Monographie erschien. Auch hier
akzentuierte er das nicht bewältigte Problem ständischer Gesellschafts-
bzw. Staatsordnung1070 und ergänzte seine Kritik um weitere Details. Den
vorberatenden Organen, insbesondere dem BWR, bescheinigte er keinerlei
„Parlamentseigenschaft“. Auch als „Ständeversammlung“ blieben sie unzu-
reichend, weil sie nicht das gesamte politisch berechtigte Volk repräsentier-
ten.1071 Am BKR störte ihn die heterogene Zusammensetzung, deren Krite-
rien nicht immer nachvollziehbar seien.1072
Mit der gängigen Ständeliteratur vertraut, glaubte Merkl feststellen zu
dürfen, dass das ständische Element aus seinem ursprünglichen, wesens-
notwendigen Bereich in den bloßer politischer Willensbildung transzendiert
worden sei. Dass in der Ständevertretung die Gruppenangehörigen nicht
gezählt („Kopfzahldemokratie“), sondern nach der Bedeutung des Teils für
das Ganze gewogen würden („natürliche Wahlkörper“1073), sei zwar gut, des-
gleichen das Subsidiaritätsprinzip1074, aber es sei schwierig, einen gerechten
Maßstab zu finden.1075 Auch gab er zu bedenken, dass der Einzelmensch ei-
ner ständischen oder sonstigen Teilgemeinschaft immer nur mit einem Teil
seiner Persönlichkeit angehöre. Zudem mache es die mangelnde berufliche
Charakterisierung nicht weniger Menschen schlechterdings unmöglich, sie
ständisch zu erfassen.1076
Eine Grenze des berufsständischen Konzepts sah Merkl auch im Problem
der Bestimmung der Relationen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern:
Diese müssten vom Bund geregelt werden, wobei keineswegs ein für alle Be-
rufe einheitlicher Schlüssel erforderlich sei. Ausdrücklich sprach er von der
Notwendigkeit, in Fragen der Rechtsgleichheit nicht arithmetisch, sondern
geometrisch zu denken.1077 Dies bedeute „eine gewisse aristokratische Milde-
rung des Stimmgewichtes der Arbeitnehmer“.1078 Merkls Fazit reicht in sei-
ner Tragweite weit über das gegenständliche Problem hinaus: Es lasse sich
nicht alles rationalisieren; „innerhalb eines weiten normativen Rahmens
muss die Entscheidung der Macht der Tatsachen überlassen werden“.1079
1070 merKl, Probleme, 28–31.
1071 merKl, Probleme, 6–8.
1072 merKl, Probleme, 26 f.
1073 merKl, Probleme, 9–12.
1074 merKl, Probleme, 39.
1075 merKl, Probleme, 13–20.
1076 merKl, Probleme, 32–34; vgl. buKoscheGG, Das ständisch-autoritäre Österreich, 88.
1077 merKl, Probleme, 20 f.; vgl. PiePer, Über die Gerechtigkeit, 84.
1078 merKl, Probleme, 23.
1079 merKl, Probleme, 25. 3. DER POLITISCH-GEISTESGESCHICHTLICHE
RAHMEN172
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580