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keit zur Verteidigung der Demokratie darstelle; er sei das kleinere Übel als
der Nationalsozialismus.1096 In diesen Worten klingt ein zentrales Problem
der Arbeit an, nämlich das der Legitimität der Maiverfassung. Für Voegelin
kam Legitimität in Autorität durch Ordnung zum Ausdruck; ein legitimer
Herrscher brauche keine verfassungsrechtlichen Schranken.1097
Zum Nachweis der Legitimität der Maiverfassung blickte Voegelin in die
Vergangenheit zurück: In der Monarchie sei Österreich keine Nation im
westeuropäischen Sinn gewesen, sondern habe sich immer im Schwebezu-
stand zwischen Reich und Staat befunden. 1918 habe – eine Parallele zu
Merkl – „ein bewusstes politisches Volk“ gefehlt, was der demokratischen
Legitimität der Republik abträglich gewesen sei. Die Verfassung von 1920
habe der Mentalität des österreichischen Volkes nicht entsprochen, der Par-
lamentarismus habe es gespaltet.1098 1933 sei außenpolitisch eine Situation
eingetreten, die eine rasche Lösung des Problems erzwungen habe: 1934 sei
folglich kein Verfassungsbruch erfolgt, sondern die Setzung neuen Verfas-
sungsrechts1099; die Maiverfassung habe den Schritt „vom Reich zum Staat“
gesetzt.1100
Hinsichtlich der theoretischen Grundlagen bezog sich Voegelin auf die
katholische Soziallehre und auf Ignaz Seipel.1101 Schwerpunkte bildeten
die Betonung des Unterschieds zwischen dem Ständebegriff der vorkon-
stitutionellen Zeit und dem modernen Ständestaat (eine „irreführende
Namensgleichheit“) sowie der im Mittelalter noch nicht bestehenden Ver-
schiedenheit von Staat und Gesellschaft. Die aktuelle Ständeidee, die in der
vertikalen Gliederung der Gesellschaft auch Aufstiegsmöglichkeiten biete,
transportiere daher geradezu liberales Gedankengut.1102 Er wünschte eine
möglichst sichtbare Stufenordnung der Gesellschaft.1103
Das Autoritäre sei an der Maiverfassung keineswegs der primäre Aspekt;
ihre Grundsätze lägen vielmehr in den in der Präambel genannten Eigen-
schaften.1104 In einer Spann verpflichteten Einleitung beschrieb Voegelin das
Autoritäre als eine die Vielheit geistiger und materieller Interessen zu ei-
1096 voeGelin, Reflexionen, 59; vgl. henKel, Eric Voegelin, 22; neisser, Eric Voegelin, 23; zu
Voegelins Ablehnung totalitärer Systeme vgl. mimica, Rechtsphilosophische Probleme,
116–128.
1097 buKoscheGG, Das ständisch-autoritäre Österreich, 4–6.
1098 Vgl. auch buKoscheGG, Das ständisch-autoritäre Österreich, 60 f.
1099 buKoscheGG, Das ständisch-autoritäre Österreich, 35.
1100 henKel, Eric Voegelin, 54–56; KluGe, Bauern, 439.
1101 mimica, Rechtsphilosophische Probleme, 110–115.
1102 voeGelin, Staat, 204–207.
1103 voeGelin, Staat, 208–211.
1104 voeGelin, Staat, 182–185; vgl. buKoscheGG, Das ständisch-autoritäre Österreich, 43–48.
3.9 DIE MAIVERFASSUNG IN DER ANALySE KRITISCHER ZEITGENOSSEN 175
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580