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reich auf „theoretisch perfektem, aber praktisch schwankendem Boden“178
entwickelt. Diese Wahrnehmung belastete sein Verhältnis zur parlamenta-
rischen Demokratie erheblich.179 Sie deckte sich mit der 1934 ausgesproche-
nen Einschätzung von Eugen Margarétha, der vom österreichischen Par-
lamentarismus erklärte, er habe das Land „an den Rand des Verderbens
gebracht“.180
Die Notizen von Richard Schmitz aus dem Jahr 1933 lassen seine Über-
zeugung vom Scheitern der Demokratie aufgrund der Mängel des Parla-
mentarismus erkennen.181 Hans Karl Zeßner-Spitzenberg sprach von der
„Fremdform des Parlaments“.182 Für Lois Weinberger, dem mehrere Maifei-
ern der Sozialdemokraten als „rotes Bacchanal des Hasses“ in Erinnerung
geblieben waren183, trug diese Partei die Hauptverantwortung für den Zu-
sammenbruch der Demokratie184, eine von Anton Klotz geteilte Einschät-
zung.185 Rezente wissenschaftliche Arbeiten betonen teils die Rolle der Sozi-
aldemokraten als Garanten der Demokratie186, teils heben sie eine gewisse
Überempfindlichkeit in deren Reihen, übereilte Aktionen und die Instru-
mentalisierung des Parlamentarismus auf dem Weg zum Sozialismus, ja
selbst bolschewistische Tendenzen hervor.187 Karl M. Stepan hatte das Ver-
trauen ins parlamentarische System hingegen durch schlechte Erfahrungen
in der Parteileitung der steirischen Christlichsozialen verloren.188
Bei den im Frühjahr 1934 im Ministerrat geführten Diskussionen über
die Verfassung war vielen Rednern der Grundsatz, alle Autorität gehe –
gemäß dem Naturrecht189 – von Gott aus, ein zentrales Anliegen.190 Breiten
Raum nahm dieser Gedanke bei Leopold Kunschak ein.191 Ende September
178 K. schuschniGG, Im Kampf, 101.
179 GoldinGer, Schuschnigg, 220.
180 CS 16. 12. 1934 (E. marGarétha).
181 weinZierl, Aus den Notizen, passim.
182 CS 18. 3. 1934 (H. K. Zeßner-sPitZenberG).
183 weinberGer, Tatsachen, 42.
184 weinberGer, Tatsachen, 48; vgl. KarlicK, Lois Weinberger, 19 f.
185 KlotZ, Sturm, 13 und 31 f.
186 beller, A Concise History, 204; newman, Zerstörung, 295; reiter-ZatlouKal, Parlamenta-
rismus, 35.
187 charmatZ, Vom Kaiserreich, 169; GoldinGer/binder, Geschichte, 144; KluGe, Ständestaat,
29 f.; Konrad, Der 12. Februar 1934, 92 f.; simon, Die verirrte Erste Republik, 58; wein-
Zierl, Zeitgeschichte, 221.
188 binder 1982, Karl Maria Stepan, 178; binder, Stepan/Dobretsberger, 25.
189 Zu diesem Gedanken d. berGer, Aspekte, 428.
190 Alois Schönburg-Hartenstein, Otto Ender, Richard Schmitz; PMR VIII/5, Prot. 919/3 (1. 2.
1934), 511; PMR VIII/7, Prot. 939/5 (24. 4. 1934), 9; vgl. steiner, Wahre Demokratie?, 135 f..
191 busshoff, Dollfuß-Regime, 190; PelinKa, Stand, 187; vgl. auch NR 31. 1. 1925 (S. waitZ).
4.2 KRITIK AN DER PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIE 197
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580