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treter im Jahr 1873 wurde der Ton rüder, „abgestimmt auf jene, von denen
die nunmehrigen Berufspolitiker wiedergewählt werden wollten“ (B. Sut-
ter).298 1897 kam es in Zusammenhang mit den Badenischen Sprachverord-
nungen zu tumultuarischen Ausschreitungen, die dem Parlamentarismus in
Österreich „einen nicht wieder gutzumachenden Schaden“ (A. Wandruszka)
zufügten.299 1905 wurde das Hohe Haus – zum Befremden ganz Europas –
von einem seiner bekanntesten Abgeordneten, dem Sozialdemokraten Vic-
tor Adler, auf das Heftigste verunglimpft.300 Nach der Wahlrechtsreform von
1907 änderte sich die Situation nicht wesentlich.301
In diesem Zusammenhang bedürfen die seit dem späteren 19. Jahrhun-
dert geführten Diskussionen über das Wahlrecht der Erwähnung. Mit dem
damals im Raum stehenden allgemeinen Wahlrecht verband selbst der so-
zialistische Politikwissenschafter Richard Löwenthal negative Entwicklun-
gen, nämlich die Entstehung offener Interessenparteien, die den Staat zu
einer großen „Interessenbörse, in der die Kompromisse der Klassen ausge-
handelt werden“, degradieren lasse: Dies bedeute „eine charakteristische
Endform der Demokratie“.302
Stellvertretend für die im Kreis christlicher Akademiker herrschende An-
sicht sei die von Friedrich Funder geforderte „Ablehnung einer bloß mecha-
nischen Wahlrechtserweiterung“ hervorgehoben.303 Gegen das allgemeine
Wahlrecht seien schon deshalb Bedenken angebracht, weil es „weder Tugend
noch Tüchtigkeit berücksichtige“, sondern sozialistischer Gleichmacherei
diene. Daher entwarf er ein Projekt, dem zufolge qualifizierte und erfahrene
Personen über mehr Stimmen verfügen sollten.304
Schwere Vorbehalte bestanden in den Reihen des CS: Otto M. Karpfen
nannte das allgemeine Wahlrecht „die Achillesverse der Demokratie“305,
Emmerich Prettenhofer sprach von „Brutalität der Zahl“306, Rudolf Herrn-
ritt erklärte die Unabhängigkeit des Volksvertreters als Repräsentanten
des gesamten Volkes für eine Fiktion.307 Dietrich von Hildebrand befürch-
tete „Zufallsmehrheiten“, durch welche die „befähigten Persönlichkeiten“
298 sutter, Probleme, 563.
299 wandrusZKa, Krise, 65–77; vgl. Gehler, Politischer Wandel, 28; sutter, Probleme, 547.
300 sutter, Probleme, 541 und 546.
301 hanisch, Illusionist, 60.
302 löwenthal, Faschismus [1935], 74–77.
303 funder, Vom Gestern, 63; reiss, Dr. Friedrich Funder, 160.
304 Pfarrhofer, Friedrich Funder, 174; vgl. auch busshoff, Dollfuß-Regime, 206.
305 CS 16. 9. 1934 (O. M. fidelis).
306 CS 14. 1. 1934 (E. Prettenhofer).
307 CS 14. 1. 1934 (R. herrnritt).
4.2 KRITIK AN DER PARLAMENTARISCHEN DEMOKRATIE 207
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580