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Zustände, zu der es unweigerlich kommen werde, wenn Universitäten nicht
mehr sein dürften als staatliche Lehranstalten.71 1933 sprach er mit Blick
auf Deutschland seine Sorge deutlicher aus: Wissenschaft könne nicht einem
politischen System dienen.72
Vorbehalte gegen Normierungen jeder Art
1945, wenige Tage nach der Freilassung aus vierjähriger nationalsozialis-
tischer Haft, erklärte Kurt Schuschnigg in einer Radioansprache, viele Ka-
tastrophen der Menschheit seien aus einer Übermacht des Verstandes über
das Gewissen zu erklären, was Herzlosigkeit zur Folge habe.73 Der ehema-
lige Bundeskanzler sprach hiermit jene für die Neuzeit so charakteristische,
von Karl Mannheim als „funktionelle“ Rationalität von der „substantiellen“
unterschiedene Rationalität74 an, die das Einzelne ausschließlich aus allge-
meinen Ursachen und Gesetzmäßigkeiten erklärt und in einer weit reichen-
den Normierung aller Lebensbereiche zum Ausdruck kommt.75 Auch Richard
Meister lehnte eine solche ab: Selbst in der Grammatik, so der Philologe,
gebe es den Inbegriff aller möglichen Beziehungen zwischen gedachten Ge-
genständen nicht.76 Demselben Denken entsprang die Kritik, die er an der
Universitätspolitik der Aufklärung übte: Diese habe übersehen, dass Kultur-
leistungen eigenen Gesetzmäßigkeiten unterlägen.77 Die Thun’sche Univer-
sitätsreform von 1849 fand hingegen seinen Beifall78, und als 1950 das Habi-
litationsgesuch Friedrich Heers von den positivistischen Wiener Historikern
abgelehnt wurde, weil seine Arbeiten keine „exakte Methode“ (L. Santifaller)
aufwiesen, ergriff Meister Partei für einen, dem eine „synthetische Geistes-
geschichte des Abendlandes“ gelungen sei.79 Nicht von ungefähr hielten die
Nationalsozialisten Meister nicht für geeignet, die seit 1923 von ihm innege-
habte pädagogische Lehrkanzel weiterzuführen.80
71 redlich, Gefährdung.
72 redlich, Krise; vgl. wutte, Oswald Redlich, 61.
73 binder/H. schuschniGG, „Sofort vernichten“, 366.
74 mannheim, Mensch und Gesellschaft, 68 f.
75 mannheim, Konservatismus, 79 und 119.
76 meister, Bildungswerte, 27.
77 lechner, Sinn und Aufgaben, 155 f.
78 breZinKa, Pädagogik, 69; lechner, Sinn und Aufgaben, 158.
79 adunKa, Friedrich Heer, 462 f.; zu diesem „Außenseiter der österreichischen Geschichtswis-
senschaft“ vgl. ebner, Politische Katholizismen, 193; fellner, Reichsgeschichte, 363.
80 breZinKa, Pädagogik, 128 und 197; römer/schreiner, Dis-kontinuitäten, 320 f.; wallraf,
Kultur, 213. 5. DER MENSCH IST
PERSON218
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580