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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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in die Kultur also „wesensmäßig mit seinem geistigen Sein und Werden ein- gebettet“.130 Für Anton Orel war geistiges Ordnen das Erkennen von Ord- nung, deren Abstraktion gleichbedeutend mit Denken.131 Wolfgang Höfler unterschied ebenfalls mehrere Seinsstufen: Auf der untersten herrschten die reinen Akzidentien vor, als die höchste definierte er die „personale Seins- schicht“. Dem aristotelischen Kategoriensystem verpflichtet, lehnte er eine einzig auf Akzidentien sich beziehende Philosophie ab.132 Georg Moth sprach von einer „Rangordnung“ der „irdischen Kulturgüter [...], an deren unterster Stufe der leblose Stoff, an deren Spitze das rein geistige Wesen“ stehe.133 Ansätze eines kosmischen Ordnungsbegriffs sind auch bei Franz Brandl zu erkennen. Er sprach von einer im Plan Gottes liegenden Harmonie zwi- schen Volk, Staat und Religion: Als Reaktion auf deren Störung beschrieb er eine Reihe historischer Staatsprozesse, wie beispielsweise jene gegen Sok- rates, Catilina, Girolamo Savonarola oder Joseph von Hormayr.134 Der Poli- zeijurist forderte freilich nicht letzte Perfektion: Einen Romanprotagonisten ließ er im Gespräch über Leibniz erklären, mit der besten aller Welten habe der Philosoph die relativ beste gemeint, denn „zur absolut besten fehlt es der unsrigen an allen Ecken und Enden“.135 Ähnliche Gedanken begegnen bei vielen Autoren der Inneren Emigra- tion136, denen die Suche nach einem zeitenthobenen tieferen Sein, etwa in der Ordnung der Natur, die Selbstbehauptung im totalitären Staat erleich- terte.137 In den Augen von Rudolf Henz wurden durch den Nationalsozia- lismus „herrliche Begriffe aus dem Organismus der Weltordnung gerissen, zum Absoluten erhoben und damit in Gegensatz zu dieser Ordnung ge- stellt“.138 Als Darsteller des Geschehens um die Jünger Jesu hatte er seine eigene Zeit vor Augen, die er als chaotisch empfand – und an die er daher die Mahnung richtete, sich willig einzuordnen in die Ordnung der ewigen Dinge und Zusammenhänge.139 Und wenn er, in einem anderen Roman, Pe- ter Anichs Vater, einen Drechsler, im Gespräch über moderne Altarbauten feststellen ließ, die moderne Kunst sei „närrisch verdreht“, so führte er dies darauf zurück, dass die Menschen „das einfache, das gottgegebene Leben 130 messner, Ordnung, 8. 131 reichhold, Anton Orel, 17. 132 höfler, Bleibende Stände, 227–231. 133 moth, Neu-Österreich, 47. 134 brandl, Staatsprozesse, 437. 135 brandl, Ein Reich, 125. 136 Zur Problematik des Begriffs vgl. strobel, Aristokratischer Rückzug, 354. 137 wöGerer, Innere Emigration, 57 f. 138 henZ, Mysterium, 224. 139 O. M. fontana, Einleitung, 14. 5. DER MENSCH IST PERSON224
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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