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sensmerkmal des Menschen, als Mittel des Denkens und als Ausdruck des
kulturellen Niveaus beimaß: „Je reicher die Gedanken, je bunter die Sätze,
desto strenger das Gesetz, durch das unser Sprechen aus einem sinnlosen
[...] Wust von etlichen Dutzend Lauten herausgehoben wird“150, war er über-
zeugt. Sprachen mit großer Formenvielfalt ermöglichten ein differenzierte-
res Denken.151 Das „Wunder der Syntaxien“ und die „Feingliedrigkeit des
Satzes (und der Rede) oder der ‚hypotaktische’ Aufbau“, der „wohl […] auf-
fallendste Zug unserer Hochsprachen“, versetzte den Chemiker in geradezu
philosophisches Staunen.152
Für Franz Karl Ginzkey wurde die Seinsordnung in der Natur greifbar: Es
gedeihe nichts, was ihren Gesetzen nicht entspreche; auch die Kunst habe sich
„den harmonischen Geboten des Ausgleichs und der Anpassung“ zu unterwer-
fen:153 Dann verhelfe sie zu einem besseren Umgang mit der eigenen Zeit „der
verworrenen Stimmen, der peinigenden Widersprüche, der qualvollen Ratlosig-
keit“.154 An der Kadettenschule in Triest (1889–1891) hatte er sich in Adalbert
Stifters Nachsommer vertieft155; er schätzte an dem Dichter aus dem Böhmer-
wald, dass er die freiwillige Einfügung in die Weltordnung verlange, das Na-
tur- und Sittengesetz für unentrinnbar halte und die „Wahrheit im organischen
Aufbau alles Lebendigen“ thematisiere.156 Er selbst habe nie Erhabenheit ge-
sucht, sondern immer nur „Fühlung mit der Natur in allen ihren Reichen“.157
Nicht zuletzt verband ihn mit Stifter die Liebe zum Kleinen, Unscheinbaren:
Sie erklärt seine Vorbehalte gegen die „blutlose Internationale“ und „die über-
feinerte und überspitzte Geistigkeit“.158 Hier lag ein Berührungspunkt mit uni-
versalistischen Denkern, die Stifter bescheinigten, „den Kampf des höheren
Menschen und des höheren sittlichen, geistigen und künstlerischen Gedankens
gegen die verfallende Zeit“ erfolgreich geführt zu haben, und seinem Bestre-
ben, Naturgesetze auf die Gesellschaft anzuwenden, Beifall spendeten, weil die
Dichtung auf diese Weise in den Dienst der „Versittlichung des Volkes“ trete.
Zugleich werde dadurch ständisches Denken verwirklicht – in allen seinen Fa-
cetten, insbesondere mit Blick auf die Verbindung aller Stände als Lebensfor-
men, in denen die je spezifischen Besonderheiten zählten.159
150 höfler, Bleibende Stände, 199.
151 höfler, Bleibende Stände, 210.
152 höfler, Bleibende Stände, 211.
153 GinZKey, Heimatsucher, 86.
154 Zit. nach K. waGner, Heimat- und Provinzliteratur, 237.
155 heydemann, Literatur und Markt, 16.
156 GinZKey, Heimatsucher, 96 f.
157 GinZKey, Heimatsucher, 40.
158 Zit. nach K. waGner, Heimat- und Provinzliteratur, 225.
159 StL 1932, 211–220 (I. roloff). 5. DER MENSCH IST
PERSON226
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„Berufsstand“ oder „Stand“?
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Title
- „Berufsstand“ oder „Stand“?
- Subtitle
- Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
- Author
- Erika Kustatscher
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20341-4
- Size
- 17.4 x 24.6 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorwort 11
- Abkürzungen und Siglen 17
- 1. Das Erkenntnisinteresse 19
- 2. Zur Methode 45
- 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
- 3.1 Österreich 1918–1938 59
- 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
- 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
- 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
- 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
- 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
- 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
- 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
- 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
- 5. Der Mensch ist Person 211
- 6. Standesbewusstsein 301
- 7. Die berufsständische Ordnung 435
- 8. Staat und Gesellschaft 487
- 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
- 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
- 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
- 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
- 8.5 Das Autoritäre 503
- 8.6 Schul- und Volksbildung 511
- 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
- 9. Resümee: status ist ordo 527
- 10. Anhang 541
- 11. Quellen und Literatur 580