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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Sozialordnung abzuändern, Ausdruck von Unvollkommenheit.182 Oswald Spengler sah in dieser Art des Rückgriffs auf die Natur ein Wunschbild, das einen doktrinären Zug angenommen habe; demgegenüber sei der Kon- servatismus praktisch und tatsachenbezogen.183 Der Verlust des Kirchen- staates (1870) war für die katholische Kirche, die positivem Recht grund- sätzlich skeptisch gegenüberstand, Anlass, das (göttliche) Naturrecht als überzeitliches, von der unveränderlichen Natur des Menschen ausgehen- des Wesensrecht zur lehramtlichen Doktrin zu erheben.184 Thomas von Aquin ist im gegebenen Kontext auch aufgrund seines Bei- trags zur Definition der Gerechtigkeit von Belang; seit dem 16. Jahrhun- dert gehörte das Wesen dieser Kardinaltugend, das platonisch-aristotelische suum cuique185, zum Gemeingut der katholischen Moraltheologie.186 Kurt Schuschnigg hatte dieses gerade von den Jesuiten kultivierte, mit dem auf- klärerischen Gleichheitspostulat schwer vereinbare Denken187 an der Stella Matutina in Feldkirch vermittelt bekommen: Walter Adam zitierte den Kanzler mit der Ansicht, soziale Gerechtigkeit sei dadurch gegeben, „dass jedem das Seine wird“.188 Auch Karl Lugmayer nahm auf diesen Gerechtig- keitsbegriff Bezug.189 Nur Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi räumte ein, dass allseitige Gerechtigkeit in der Praxis unmöglich sei, dass jeder Gerech- tigkeit ein willkürliches Element anhafte, weil es viele verschiedene Propor- tionen gebe, in denen sie sich darstellen könne; was suum cuique im Einzel- fall bedeute, bleibe der persönlichen Meinung überlassen.190 Angelpunkt war die Gegenüberstellung von iustitia commutativa (Tausch- gerechtigkeit der Bürger gegeneinander) und iustitia distributiva (zutei- lende, ausgleichende Gerechtigkeit des Staates gegenüber den Bürgern).191 Letztere, im Denken des heiligen Thomas das eigentliche Zentrum192, ist die Basis des klassischen Naturrechts, dem zufolge Recht etwas ontologisch 182 GG 4 (1978), 254 (Naturrecht, K.-H. iltinG). 183 boterman, Oswald Spengler, 194; hanisch/urbanitsch, Prägung, 63; mannheim, Konserva- tismus, 53 und 111. 184 schönberGer, Positivität des Rechts, 801–803. 185 GG 4 (1978), 266 (Naturrecht, K.-H. iltinG); Kondylis, Konservativismus, 68; mayer-tasch, Korporativismus, 5; PiePer, Über die Gerechtigkeit, 45 f.; seidl, Zur Diskussion, 193. 186 Kustatscher, Virtus, 378–381. 187 stöltinG, „Macht und Eliten“, 226. 188 adam, Staatsprogramm, 76. 189 K. luGmayer, Grundrisse, 109. 190 coudenhove-KalerGi, Ethik, 23 f. 191 härinG, Gesetz, 512–514; PiePer, Über die Gerechtigkeit, 72 f.; 96; rembold, Das Bild, 78–80; vgl. hohenlohe, Ständestaat, 10 f. 192 PiePer, Über die Gerechtigkeit, 81. 5.4 LEBEN UND GEIST 229
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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