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Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Der körperliche und der geistige Mensch Oswald Spengler bezeichnete es als einen der Vorzüge der Standes, dass sich der Mensch in ihm über die Mächte der Natur erheben könne: „Noch als Rasse [...] wird [Kursivsatz im Or.] er gezüchtet; als Stand aber züchtet er sich selbst, [...] und eben das ist im höchsten und letzten Sinne Kultur.“214 Otto Brunner sah eine Analogie zwischen der Herrschaft der Vernunft über die Triebe und jener des Vaters über das Haus bzw. des Staatsmannes über die Polis; aus dieser Trias resultierten die drei Säulen des (altständischen) Gesellschaftsbildes, Ethik, Ökonomik und Politik.215 Dietrich von Hildebrand unterstrich in Anlehnung an Aristoteles und an Thomas von Aquin, die Materie habe gegenüber dem Leben dienende Funk- tion – und dieses, einschließlich des Psychischen, gegenüber der geistigen Person. Das Leben stehe zwischen Materie und Geist, die nicht direkt auf- einander Bezug nehmen könnten.216 Der Organismus sei nicht ein Nebenei- nander, sondern ein Ineinander verschiedener Kräfte. „Nur der blinde, ehr- furchtslose Blick vermag nicht zu sehen, dass hier eine an Sinn und Wert der Materie überlegene Stufe vorliegt. Den tiefsten Adel des Lebens aber erfas- sen wir erst, wenn wir das Leben im Menschen betrachten, seine dienende Rolle gegenüber der erkennenden und liebenden geistigen Person. Was ist alles pflanzliche und tierische Leben im Vergleich zur holden Lebensfülle, die uns in einem bewussten, zu sinnvollen Akten befähigten Wesen entge- gentritt?“217 Man könne das Seelenleben nicht physiologisch erklären – wes- wegen auch Sigmund Freuds Lehre nicht stichhaltig sei.218 „Die heutige Vergottung [...] der vitalen Sphäre im Menschen“ und „mechanische(n) Ma- terialismus und aufklärerische(r) Ehrfurchtslosigkeit“ lehnte er ab.219 Im Liberalismus sah von Hildebrand einen „Aufstand gegen den Geist“220, eine „Diskreditierung der geistigen Person“. Der dadurch verschuldete „per- niziöse Antipersonalismus“ drohe „die gesamte abendländische Kultur zu untergraben“.221 Als Inbegriff einer geradezu „radikalen Ungeistigkeit“ be- zeichnete er Bolschewismus und Nationalsozialismus.222 Ernst Karl Winter 214 sPenGler, Untergang, 967. 215 brunner, Die Freiheitsrechte, 188. 216 v. hildebrand, Memoiren, 187–189. 217 v. hildebrand, Memoiren, 186. 218 v. hildebrand, Memoiren, 336. 219 v. hildebrand, Memoiren, 185; vgl. v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 70; seefried, Reich, 212. 220 v. hildebrand, Memoiren, 198; vgl. seefried, Reich, 213. 221 v. hildebrand, Memoiren, 192; vgl. Seefried, Reich, 230. 222 v. hildebrand, Memoiren, 35; v. hildebrand, Engelbert Dollfuß, 69; vgl. KuGler, Die frühe Diagnose, 158. 5. DER MENSCH IST PERSON232
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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