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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Karl Lugmayer definierte die Person als Geistwesen, das erkennt, ent- scheidet und will; sie gehe nicht in der physisch-biologischen Erscheinung auf, sondern stelle den Körper lediglich in ihren Dienst. Im Körperlichen sei der Mensch den Tieren, im Geistigen Gott ähnlich.261 Auch er widmete dem Unterschied zwischen Mensch und Tier breiten Raum. Ausführlich nahm er zu dem 1932 erschienenen Werk Theoretische Biologie von Karl Ludwig von Bertalanffy Stellung262, eines nach dem „Anschluss“ in Wien habilitierten Zoologen.263 Schwere Vorbehalte gegen dessen „Verkennung der organischen Ganzheit“ ließen ihn resümieren: „Von der Biologie aus gibt es keinen Weg zum Individuum, das heißt zum Ich.“264 Lugmayer unterschied zwischen der unterscheidenden und entscheiden- den Person und dem vom Unterbewusstsein dominierten Lebewesen. An dieses werde etwa im Wahlkampf appelliert, weswegen es sich bei einem solchen um eine Verletzung des Personalitätsprinzips handle: Es sei nicht rechtens, gewisse Vorstellungskomplexe im Bewusstsein des Wählers zur Herrschaft zu bringen. Daher müsse sich die Gesellschaftslehre um andere Formen des Staatsaufbaus als die des allgemeinen Wahlrechts bemühen.265 Für Lugmayer lag im Verhältnis der beiden Pole Geist und Leben zuein- ander das Kriterium für die Zuweisung des Platzes an jeden Einzelnen im Kosmos, einem als Stufenfolge definierten, durch unterschiedliche Grade der Würde gekennzeichneten System, das Teil des Wortnetzes ordo ist.266 Daraus resultieren, proportional zum erreichten Grad an Harmonie und so- mit an qualifizierenden Charaktereigenschaften, unterschiedliche Grade an Freiheit der Person – und somit abgestufte politische Rechte.267 Hier schwingt Gedankengut von Othmar Spann mit: Dieser sah die Un- terschiede zwischen den Ständen im Geistigen und definierte sie je nach ihrer Hinordnung zum Ganzen: Die geistig höheren Stände sollten die nie- deren führen.268 An der Spitze von Spanns Ständeordnung standen, wie bei Platon, die Weisen, denen er auch entsprechende Führereigenschaften be- scheinigte.269 Obwohl er der Gesundheit, überhaupt dem Biologischen einen 261 bader, Karl Lugmayer, 13; tarmann, Die Personalität, 55. 262 K. luGmayer, Sein II, 303–314. 263 F. hartmann, Geistiger Anschluss?, 174. 264 K. luGmayer, Sein II, 307 f. 265 K. luGmayer, Philosophie, 114. 266 GG 6 (1990), 156 (Stand/Klasse, O. G. oexle). 267 busshoff, Dollfuß-Regime, 177. 268 sPann, Wahrer Staat, 208–220; becher, Der Blick, 119; bohn, Ständestaatskonzepte, 35; diamant, Katholiken, 215; heinrich, Schlüsselbegriffe, 348–350; resele, Ständestaatskon- zeption, 24–29; streitenberGer, Leitbild, 232; H. walter, Ständewesen, 11–16. 269 GauGer, Gemeinwohl, 95; resele, Ständestaatskonzeption, 28 f.; schneller, Zwischen Ro- mantik und Faschismus, 42; sieGfried, Universalismus, 74. 5.4 LEBEN UND GEIST 237
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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