Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Page - 261 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 261 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Image of the Page - 261 -

Image of the Page - 261 - in „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit

Text of the Page - 261 -

Für Richard Schmitz war die „Autorität der Persönlichkeiten“ ein gültiger Ersatz für ein „uneiniges Parlament“.494 Daher unterstützte er in der Mi- nisterratssitzung vom 12. März 1934 Otto Ender, der sich im Rahmen der Verfassungsdiskussion dagegen aussprach, für den Bundestag Ersatzmän- ner vorzusehen: Im Kreis der Personen, die Verantwortung trügen, dürfe es möglichst wenig Wechsel geben; der Bundestag sei ein auf Persönlichkeiten eingestelltes Gremium.495 1935 berichtete Ender, bei den im Sommer 1933 angestellten Überlegungen zu einer neuen Verfassung habe man auch die Einführung einer ersten Kammer in Erwägung gezogen, die die kulturellen und politischen Interessen der Bevölkerung wahrnehmen sollte. Dass man hierbei an Einmannwahlkreise dachte, begründete er so: „Dieses System liefert qualifizierte Menschen. Es schiebt die Verantwortung der Menschen mehr in den Vordergrund.“496 Im weiteren Sinn ist hier auch Otto von Habs- burgs Kritik am Listenwahlrecht der Kelsen’schen Verfassung angesiedelt: Hätte man das Persönlichkeitswahlrecht eingeführt, so seine Überzeugung, wäre die Geschichte anders verlaufen.497 Die in katholisch-konservativen Kreisen verankerte hohe Veranschlagung der Gemeinschaft legte es nahe, den Standort des Einzelnen innerhalb der- selben genau zu verorten. Robert Krasser ging davon aus, dass „in der un- verrückbaren Rangordnung der Werte“ die „Seinsvollendung“ höher stehe als die „Seinsanlage“: Daher glaubte er seiner Disziplin, der Pädagogik, das Recht zugestehen zu dürfen, individuelle Ansprüche zwar zu achten, aber auch in ihre Grenzen zu verweisen.498 Richard Meister setzte den Akzent stärker auf die Freiwilligkeit: Die Glieder der Gemeinschaft beteiligten sich mit innerer Anteilnahme, gleich- sam total, indem sie die Tätigkeit als Dienst an der eigenen Sache auffass- ten.499 Zwischen der Gesellschaft und ihren Gliedern bestehe eine so enge Wechselwirkung, dass keiner die ihn umgebende Kultur ignorieren dürfe. Im Gleichklang mit Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi500 Erziehung und Unterricht nicht trennend, zitierte er den Philosophen Friedrich Daniel Schleiermacher mit der Formulierung, Erziehung sei sowohl ein „Heraus- bilden der Eigentümlichkeit“ als auch ein „Hineinbilden in die Komplexe der menschlichen Verhältnisse“.501 Es treffe keineswegs zu, wie die Gegner 494 CS 16. 12. 1934 (R. schmitZ). 495 PMR VIII/6, Nr. 929/2, 127. 496 Zit. nach wohnout, Verfassungstheorie, 132. 497 waltersKirchen, Dollfuß, 46. 498 Krasser, Ständestaat, 13. 499 meister, Das Verhältnis, 49; meister, Humanismus, 41. 500 coudenhove-KalerGi, Ethik, 143. 501 meister, Humanismus, 168. 5.5 PERSÖNLICHKEIT UND GEMEINSCHAFT 261
back to the  book „Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit"
„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
„Berufsstand“ oder „Stand“?