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Geschichte
Nach 1918
„Berufsstand“ oder „Stand“? - Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
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Entfaltung eines Dialogs.568 Rudolf Henz beklagte sich noch 1963 über jene Verweigerer desselben, „denen die Welt nicht schwarzweiß genug sein kann. Der Christ sieht nicht nur die Endzeit vor sich, das wäre billig, sondern eine sehr komplizierte Zeit. Er steht immer dazwischen [...]. Eine undankbare Stellung, für mich aber die einzig mögliche.“569 Richard Meister, der Philo- loge, vertraut mit klassischer Dialektik, bekannte sich in seinem gesamten Wirken zur Suche nach Synthesen; simple Kompromisse lehnte er ab. Wo er scheinbar extreme Positionen bezog, nahm er ihnen die Spitze, indem er sie durch Wesenszüge anreicherte, die von der Gegenseite kamen.570 „Wir nennen Menschen Personen, weil sie auf andere Weise als jene Lebe- wesen, die es sonst gibt, das sind, was sie sind“571, lautet Robert Spaemanns Umschreibung des Wesens personalistischen Denkens. Im Umgang der Men- schen miteinander sollten Normen positiven Rechts nicht erforderlich sein, denn: „Warum sollte man einem Imperativ gehorchen?“ Mit Bezug auf die Geschichte von Kain und Abel mahnte er: „Den Platz des anderen nicht zu kennen, ist [...] schon gleichbedeutend mit dem Eingeständnis des Mordes.“572 Die im Alltag aus dieser Überzeugung resultierende Haltung ist die des Respekts. Rudolf Henz fand sie in katholischen Internaten verwirklicht: Im Grazer Priesterseminar habe er die Einsicht gewonnen, der Mensch sei „nicht nur ein Teilchen, ein Rädchen, ein Splitter, sondern immer auch, noch im völlig misslungenen Exemplar, ein Kind Gottes“.573 Christlichem Geist entsprang auch jene Form des Respekts, die Friedrich Funder an Franz Martin Schindler schätzte: Als junger Priester habe sich dieser an einer öffentlichen Ausschreibung gestoßen, in der eine „Schreibkraft“ gesucht wurde; „‚Kraft’ war für ihn gleichbedeutend mit ‚Maschine’, die aufgestellt und wieder beseitigt wird, wenn sie keinen Gewinn mehr abwirft. Wenn die sittlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geleugnet werden – bis zu welchem Grad der Vergiftung muss dann unser modernes Erwerbsleben gelangen?“574 So nebensächlich der Gegenstand dieses Zitats wirkt, es betrifft eine zentrale Komponente der berufsständischen Ordnung – und zeigt, dass deren Wurzeln in Österreich vor QA lagen. Grundlegende Idee war die einer Kooperation, bei der es auf die wechselseitige Anerken- nung fremder Interessenssphären ankommen sollte.575 568 schmidinGer, Der Mensch, 14 f. 569 henZ, Fügung, 294. 570 KainZ, Hauptprobleme, 87–89. 571 sPaemann, Personen, 175. 572 sPaemann, Personen, 194. 573 henZ, Fügung, 93. 574 funder, Aufbruch, 32. 575 böcK, Öffentlichkeitsarbeit, 123–125. 5.6 KULTIVIERUNG PERSONALER WERTE 269
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„Berufsstand“ oder „Stand“? Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Title
„Berufsstand“ oder „Stand“?
Subtitle
Ein politischer Schlüsselbegriff im Österreich der Zwischenkriegszeit
Author
Erika Kustatscher
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien - Köln - Weimar
Date
2016
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20341-4
Size
17.4 x 24.6 cm
Pages
682
Keywords
Parlamentarische Demokratie, berufsständische Ordnung, Naturrecht, katholische Soziallehre, Personalismus, konservatives Denken, traditionale Herrschaft, autoritäre Herrschaft, Totalitarismus, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, politische Utopie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorwort 11
  2. Abkürzungen und Siglen 17
  3. 1. Das Erkenntnisinteresse 19
    1. 1.1 Die geltende Meistererzählung – und was sie offen lässt 20
    2. 1.2 Stand: Der begriffliche Ausgangspunkt 33
    3. 1.3 Das Arbeitsvorhaben 38
  4. 2. Zur Methode 45
    1. 2.1 Der diskursanalytische Ansatz 45
    2. 2.2 Literarische und autobiographische Texte 52
    3. 2.3 Das Textcorpus 55
  5. 3. Der politisch-geistesgeschichtliche Rahmen 59
    1. 3.1 Österreich 1918–1938 59
    2. 3.2 Geistige Anregungen aus den frühen zwanziger Jahren: Othmar Spann, Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi 84
    3. 3.3 Die „Gesellschaftsreform“ auf christlich-sozialer Grundlage 90
    4. 3.4 Die Enzyklika Quadragesimo anno und die katholischen Sozialtheoretiker 96
    5. 3.5 Die Nachbarschaft des faschistischen Italien 105
    6. 3.6 Berufsständische Entwürfe 156
      1. 3.7 Die Verfassung vom 1. Mai 1934 163
    7. 3.8 Die Organe der Bundesgesetzgebung und ihre Besetzung 165
    8. 3.9 Die Maiverfassung in der Analyse kritischer Zeitgenossen 170
  6. 4. Die politisch-gesellschaftliche Lage in der Wahrnehmung bürgerlicher Kreise 181
    1. 4.1 Das „Erbe“ von 1789: Die Französische Revolution als „Urgrund“ von Individualismus, Liberalismus, Kapitalismus und Marxismus 182
    2. 4.2 Kritik an der parlamentarischen Demokratie 193
  7. 5. Der Mensch ist Person 211
    1. 5.1 Für Freiheit und Menschenwürde 211
    2. 5.2 Individualität versus Individualismus 213
    3. 5.3 Freiheit und Ordnung 215
    4. 5.4 Leben und Geist 227
    5. 5.5 Persönlichkeit und Gemeinschaft 256
    6. 5.6 Kultivierung personaler Werte 265
    7. 5.7 Legitimität versus Legalität 287
  8. 6. Standesbewusstsein 301
    1. 6.1 Semantische Unschärfen 301
    2. 6.2 Exkurs: „Stand“ bei Othmar Spann 303
    3. 6.3 Der Stand und das Standesgemäße 306
    4. 6.4 Adel in der Bewährung 323
    5. 6.5 Bauerntum als Ideal 329
    6. 6.6 Die Familie 354
    7. 6.7 Heimatbewusstsein versus Nationalismus 375
    8. 6.8 Österreichbewusstsein versus Nationalsozialismus 396
  9. 7. Die berufsständische Ordnung 435
    1. 7.1 Vorläufige Begriffsbestimmung 435
    2. 7.2 Die christlich-soziale „Gesellschaftsreform“ aus der Sicht der Mandatare 437
    3. 7.3 Exkurs: Das Genossenschaftswesen 439
    4. 7.4 Aspekte der berufsständischen Ordnung 442
    5. 7.5 Probleme der berufsständischen Ordnung 458
    6. 7.6 Stände jenseits der Berufe 480
  10. 8. Staat und Gesellschaft 487
    1. 8.1 Die Gesellschaft als Entfaltungsraum der Person 488
    2. 8. 2 Wesen, Aufgaben und Grenzen des Staates, Verhältnis zu den Ständen 490
    3. 8.3 Das Subsidiaritätsprinzip 494
    4. 8.4 Föderalismus versus Zentralismus 498
    5. 8.5 Das Autoritäre 503
    6. 8.6 Schul- und Volksbildung 511
    7. 8.7 Ständestaat und autoritäres System auf dem Prüfstand 518
  11. 9. Resümee: status ist ordo 527
  12. 10. Anhang 541
    1. 10.1 Mandatare, die für die Fragestellung der vorliegenden Studie relevante Schriften hinterließen 541
    2. 10.2 Mandatare, die mit eigenen Beiträgen in den genannten Periodika vertreten waren 545
    3. 10.3 Ständetheoretiker 546
    4. 10.4 Verfasser ergänzend herangezogener Texte 553
  13. 11. Quellen und Literatur 580
    1. 11.1 Quellen zur politischen Geschichte 580
    2. 11.2 Zeitgenössische Periodika 581
    3. 11.3 Monographische Arbeiten und vermischte Beiträge der Mandatare 595
    4. 11.4 Ständetheoretische und ähnliche Arbeiten 601
    5. 11.5 Ergänzende Quellen 603
    6. 11.6 Forschungsliteratur 607
    7. 11.7 Internetquellen 664
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